Bettler 02 - Bettler und Sucher
in ATP umgewandelt werden. Die meisten Pflanzen benutzen Chlorophyll, um diese Photophosphorylierung durchzuführen.
Manche Bakterien, genannt Halobakterien, sind in der Lage, sowohl die oxidative Phosphorylierung als auch die Photophosphorylierung durchzuführen. Sie können sowohl Nährstoffe verarbeiten als auch – unter den richtigen Bedingungen – durch einen photosynthetischen Mechanismus ATP erzeugen. Mit anderen Worten, sie können ihren Energiebedarf entweder aus der Nahrung oder aus dem Sonnenlicht beziehen.
Halobakterien benutzen hierfür nicht Chlorophyll. Sie benutzen statt dessen Retinal, jenes Pigment, das im menschlichen Auge auf Licht reagiert. Retinal existiert in Verbindung mit Proteinmolekülen in einem Komplex, den man Bakteriorhodopsin nennt.
Die Körper von Ihnen allen wurden so modifiziert, daß sie nun ein genetisch radikal verändertes lichtempfindliches Pigment enthalten, das aus Bakteriorhodopsin gewonnen wurde.
Es befindet sich unter durchsichtigen Membranen an den Enden winziger Röhrchen, welche nun zwischen den abgestorbenen Zellen Ihrer äußersten Hautschicht austreten. Das modifizierte Bakteriorhodopsin ist weitaus besser – um Größenordnungen besser – in der Lage, Photonen einzufangen als alle natürlich vorkommenden Thylakoide.
Zudem enden weitere Röhrchen, die über ein spezielles Transportvermögen verfügen, in einer durchlässigen Membran an Ihrer Hautoberfläche. Diese Röhrchen können Kohlenstoffmoleküle sowie lebenswichtige Elemente direkt aus dem Erdreich oder anderem organischem Material aufnehmen. Die aufgenommenen Moleküle werden von genmodifizierten Enzymen bearbeitet, die im Verein mit Ihren herkömmlichen menschlichen Thylakoiden und mit Nanomaschinen, die sich in Ihren Zellen fortpflanzen, tätig werden.
Das alles ist uns nicht so wesensfremd, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Der nur wenige Tage alte menschliche Embryo entwickelt eine äußere Zellschicht, die man Trophoblast nennt. Der Trophoblast verfügt über die ungewöhnliche Eigenschaft, das Gewebe, mit dem er in Kontakt kommt, verdauen oder verflüssigen zu können. Auf diese Weise setzt sich der Embryo in der Gebärmutterwand fest. Die modifizierte Haut, über die Sie alle seit kurzem verfügen, kann auf ähnliche Weise andere Stoffe verflüssigen und absorbieren.
Außerdem wurden Ihnen gentechnisch veränderte Mikroorganismen injiziert, die zur Fixierung von Stickstoff aus der Luft in der Lage sind.
Das menschliche Körpergewebe besteht zu 96, 6 Prozent aus den vier Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Die Nanomaschinen, die sich nun in Ihren Zellen befinden, wurden so programmiert, daß sie diese sowie andere, weniger konzentrierte Elemente, zu jener Art von Molekülen zusammensetzen, die gerade gebraucht werden. Diese Prozesse werden alle vom Sonnenlicht in Gang gehalten, und zwar weitaus effizienter, als es die Natur könnte. Die Energie aus dem Sonnenlicht wird als ATP eingelagert und kommt dann zur Verwendung, wenn kein Sonnenlicht vorhanden ist. Ein nicht ganz dreißigminütiges Sonnenbad pro Vierundzwanzigstundenperiode ist ausreichend. Der Energieüberschuß wird, genau wie bei Nahrungsmitteln, als Glykogen oder Fett eingelagert.
Sollten als Auswirkung der Bestrahlung mit ultraviolettem Licht Krebszellen entstehen, so wird der Zellreiniger sie zerstören, ebenso wie jede Art von toxischen Molekülen, die vom Boden aufgenommen werden, indem er ihre Atome zu einer nichttoxischen Form umordnet.
Nanomaschinen werden Ihr gastrointestinales System funktionsfähig erhalten, auch wenn es lange Zeit nicht benutzt wird. Genmodifizierte Enzyme wurden dafür ausersehen, mittels allosterischer Wechselwirkungen jegliches subjektive Hungergefühl zu eliminieren.
Wenn Nahrungsmittel vorhanden sind, können Sie essen und die Energie aus der oxidativen Phosphorylierung einlagern. Wenn keine Nahrungsmittel vorhanden sind, können Sie auf dem Erdboden in der Sonne liegen und mittels Photophosphorylierung Energie aufbauen.
Sie verstehen.
Jetzt sind Sie autotroph.
Jetzt sind Sie frei.
Buch V
SOMMER 2115
»Unser Schutz besteht weder in der Rüstung, noch darin, in den Untergrund zu gehen. Unser Schutz besteht in Recht und Gesetz.«
Albert Einstein,
in einem Brief an Ralph E. Lapp
20
Billy Washington:
East Oleanta
Wie ich sie endlich finde, die Annie, da war sie mitten im tiefsten Wald. Hatte
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