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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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größtenteils die Einfuhr von allem gestoppt, was aus Nordamerika stammte. Auf eine Durchbrechung des Embargos stand die Todesstrafe. Die Hälfte der Länder behauptete, das Embargo würde lückenlos funktionieren und ihre Grenzen wären sauber. Die andere Hälfte drohte mit rechtlichen Schritten wegen ihrer zusammenbrechenden Infrastrukturen und sterbenden Staatsbürger. Ein großer Teil von Afrika hatte sich für beide Möglichkeiten zugleich entschieden.
    Außerhalb der Sicherheitsenklave der Bundesregierung stand ganz Washington, D. C. in Flammen. Es war schwer zu sagen, wieviel Regierung blieb, um auf die angedrohten rechtlichen Schritte zu reagieren.
    Timonsville, Pennsylvania, gab es nicht mehr. Die ganze Einwohnerschaft der Zweitausenddreihundertseelenstadt hatte sich zusammengepackt und in alle Winde verstreut. Von sämtlichen Berichten war dies die bei weitem deutlichste Anspielung auf die Tatsache, daß die Menschen verschwanden und warum – und darauf, welche Mikroorganismen sie in ihre Diaspora mitnahmen.
    East Oleanta wurde mit keinem Wort erwähnt.
    Am Nachmittag begann es zu schneien, und die Temperatur blieb um den Gefrierpunkt. Ich hatte daran gedacht, mich auf die Suche zu machen nach jenem Ort in den Bergen, an den Billy uns vor über einem Monat geführt hatte, aber das Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung.
    Die ganze Nacht lag ich wach und horchte in die Stille.
    Am Morgen nahm ich eine Dusche in den Salvatore-John-DeSanto-Öffentlichen Bädern, die geheimnisvollerweise wieder in Betrieb waren. Dann kehrte ich in die Cafeteria zurück. East Oleanta war immer noch menschenleer. Ich hockte auf einer Stuhlkante wie ein aufmerksames Macher-Schulmädchen und verfolgte die Meldungen auf dem HT, während mein Land in Hungersnot, Pestilenz, Tod und Krieg zerfiel und der Rest der Welt seine modernsten Technologien einsetzte, um uns innerhalb unserer eigenen Staatsgrenzen einzuschließen. Falls es noch andere Neuigkeiten gab, so berichtete kein Nachrichtenprogramm darüber. Um elf Uhr vormittags sendeten nur noch drei Kanäle.
    Zu Mittag spürte ich unvermutet den überwältigenden Drang, am Fluß zu sitzen. Der Drang überkam mich mit der ganzen Gewalt einer religiösen Offenbarung. Es gab keine Diskussion darüber. Ich mußte zum Fluß und mich ans Ufer setzen.
    Dort angekommen zog ich mich nackt aus, und auch das war ein Akt, so uncharakteristisch und unaufhaltsam wie der Ausbruch von allgemeinem Durchfall. Es hatte fünf Grad, und die Sonne schien, aber ich hatte das Gefühl, auch minus zwanzig Grad hätten keinen Unterschied gemacht. Ich mußte einfach aus meinen Kleidern schlüpfen. Das tat ich und dann streckte ich mich flach auf einem aperen Flecken aus.
    So lag ich also heftig zitternd etwa sechs oder sieben Minuten lang auf dem Rücken in dem von der Sonne matschig aufgewärmten Erdreich. Kleine Steinchen bohrten sich in meine Schulterblätter, in meine Hinterbacken und in mein Kreuz. Der angeschwemmte Schlamm verströmte einen stechenden Geruch. Ich fror. In meinem ganzen Leben hatte ich es noch nie so ungemütlich. Ich lag da, einen Arm über den Augen, um sie vor der blendenden Mittagssonne zu schützen, und war nicht willens, mich zu regen. Unfähig, mich zu regen. Und dann war es vorbei. Immer noch zitternd setzte ich mich auf und zog mich wieder an.
    Es war vorbei.
    Iß mich! sagten die Plätzchen, die Alice auf dem Grund des Kaninchenbaues gefunden hatte. Trink mich! sagten die Fläschchen.
    Zwei volle Tage waren vergangen, seit ich das Hühnchen und den Reis und die echten jungen Erbsen in dem Regierungskrankenhaus in Albany gegessen hatte. Bisher hatte ich keinen Hunger verspürt: Schock, Beklemmung, Depressionen – das kann einem schon alles den Appetit verderben. Aber der Körper braucht Brennstoff. Auch wenn das Hungergefühl fehlt, fällt der Glukosespiegel. Es gibt zwar versteckte Stärkevorräte in Leber und Muskeln, aber früher oder später gehen auch die zu Ende. Das Blut benötigt neue Glukosequellen, um den Körper zu versorgen.
    Glukose ist nichts als eine Ansammlung von Atomen. Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff. Angeordnet in einer bestimmten Weise in unserer Nahrung. Angeordnet auf andere Weise in Erdreich und Wasser und Luft. So wie Energie in einer Form in chemischen Bindungen existiert und in einer anderen Form in Sonnenlicht.
    Die Y-Energie ordnete die Formen der Energie so um, daß sie allzeit billig zur Verfügung stehen konnte.
    Die Nanotechnik

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