Bettler und Hase. Roman
anderen sich den Schnee in die Nase zogen und lernten, was Lebensfreude ist. Für mich war allerdings nur entscheidend, dass ich dadurch länger bumsen konnte.
Ich bestellte mir die schwulen Jungs aus der Einrichtungssendung, damit sie meine Bude auf Vordermann brachten, mit dem Ergebnis, dass bald immer mehr Tussis meinen Türcode kannten und die letzte Party einen ganzen Monat dauerte. Ich engagierte Mötley Crüe, und die kamen tatsächlich und spielten auch, aber ich kann mich an nichts mehr erinnern.
Bloß blöd, dass ich eines Morgens neben der völlig falschen Irma aufwachte, nämlich neben Irma Mölsä mit den großen Titten und den Diamantohrringen, der Braut von meinem Boss Wladislaw Mölsä. Trotz ihres perfekten Arschs im Bett kalt wie eine Plötze.
Der Fall wurde gehandhabt, wie wir es in der Grundausbildung gelernt hatten. Ich landete am Rand von Sankt Petersburg in der Grube einer Autowerkstatt, wo ein leicht gestörter Kerl mir kleine Ohrfeigen und schwere Kopfverletzungen verpasste. Danach war es erst mal stockfinster, aber irgendwann wachte ich doch wieder auf, und zwar in einem Krankenhaus, das nach Kartoffeln roch. Ich hatte nur noch ein Ohr und ein Auge und lebte allein deshalb noch, weil ich als warnendes Beispiel herumlaufen sollte. Seit den Römern wird das so gemacht.«
Und so landete Jegor Kugar als obdachloser, mittelloser, gehirnerschütterter, ehemaliger Mann der Sicherheitspolizei auf der Straße vor dem Krankenhaus. Dort wurde er von einem rumänischen Stereoanlagenhändler aufgegabelt, der ihn auf den Rücksitz seines Wagens setzte und sich dafür mit Jegors Ringen, Telefon und Uhr bezahlen ließ. Die Fahrt endete in der Vorstadt von Bukarest, wo Jegor Kugars neue Karriere ihren Anfang nahm.
»Brutales Land, brutale Leute. Zigeuner überall. Ich bin in die Abendschule gegangen, sprich ich bin durch die Straßen gezogen und hab allen gezeigt, was für ein Wahnsinniger in mir steckt. So bin ich an Jobs gekommen. Der zentrale Verkaufsartikel sind Tussis zwischen siebzehn und vierunddreißig, der wichtigste Markt ist Mitteleuropa. Ab und zu kommt mal eine müde Tour in den Norden dazu, samt Pfennigsammeln bei den Bettlern, so wie bei Vatanescu, diesem Verlierer, von dem ich lieber meine Finger gelassen hätte.«
Vor dem Hintergrund dieser Biographie fiel es Jegor Kugar äußerst schwer, die ausgelassene Grillfete von Vatanescu und Balthazar einfach so hinzunehmen. Ein Bettler darf nicht besser genährt aussehen als diejenigen, die er anbettelt, für einen Bettler gehört es sich nicht, mit Kognak flambiertes Rinderfilet zu essen. Ein fetter Bettler ist ein Ding der Unmöglichkeit. Schlecht fürs Geschäft. Aber noch schlimmer ist ein Bettler, der verschläft.
Jegor fand die Männer in den Wohnwagen und verstreut auf dem Gelände liegen, wie Schweine eines dekadenten Haushalts. Er sagte, er wisse, dass Vatanescu hinter alldem stecke, er witterte die Aura desjenigen, der Extratouren im Schilde führte. Schon als Sicherheitspolizist hatte er sie gerochen, denn schließlich hatte er selbst so eine Aura. Darum wusste er auch, dass sie einem Mann dreierlei bescheren konnte: Probleme, Reichtümer oder einen Zinksarg.
Jegor Kugar überschüttete Vatanescu erst einmal mit Grillkohle. Dann schloss er sämtliche Wohnwagen ab, damit es sich keiner mehr gemütlich machen konnte. Er sagte, ab sofort fange eine Woche ohne Lohn an, mit Arbeitstagen von drei Schichten. Jetzt dürft ihr eure Kalorien wieder abstottern, höchste Zeit, dass ihr nach dem ausseht, was ihr seid, und nicht nach Eigenheimbesitzern aus Espoo.
Die unschönsten Maßnahmen überließ Jegor den Bambinos von Swetogorsk. Die stellten abends um sieben den Strom im Bettlerlager aus und achteten darauf, dass es in den Wohnwagen nicht zu viel zu essen oder zu gute Laune gab. Um fünf Uhr morgens brannten die Lampen wieder. Inzwischen wurde es tagsüber immer früher dunkel, die Regenmenge nahm zu, der Wind wurde kälter, und die Leute verloren die Lust, eine Münze zu geben, weswegen Vatanescu zusehends in Düsternis versank. Die Passanten knurrten und spuckten nur noch, sogar die Frauen mit den frommen Blättern eilten auf dem Weg zu Ekstaseveranstaltungen, die in alten Kinos abgehalten wurden, unfreundlich vorbei.
Die Straßen sind unfassbar sauber.
Bin ich der einzige Dreck?
Balthazar tröstete ihn, indem er versicherte, der Zorn werde sich irgendwann schon legen, aber Vatanescu sah nicht über den nächsten Tag hinaus, ja
Weitere Kostenlose Bücher