Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
Vom Netzwerk:
auf Matrizen zu schreiben, auf der Vervielfältigungsmaschine abzuziehen und zu versenden.
    In Wahrheit las ich zwar alle Finanzblätter, verfaßte aber dann in meinen eigenen Worten und in meiner eigenen Auslegung, was ich für wichtig hielt, würzte das Ganze mit meinen persönlichen Anschauungen und Vorurteilen und gab so ein Wochenbulletin über den Stand der Weltfinanzen heraus. Ich erinnere mich noch an ein Exemplar, dem ich die sensationelle Überschrift gab: « Krieg mit Japan unvermeidlich ». Woher ich diese weise Vorahnung hatte, weiß ich selbst nicht.
    Mittlerweile nahm Mary Mr. Chalmers' Diktate auf, sorgte dafür, daß stets wundervolle Blumen auf seinem und ihrem Schreibtisch standen und der Whiskyvorrat in Mr. Chalmers' Safe nie zur Neige ging, und ließ mich im übrigen mehr und mehr allein mit ihm im Büro. Summte es für Mary, und ich trat statt ihrer in Mr. Chalmers' Büro, pflegte er zu poltern: «Wo steckt Mary?» Machte ich ihm klar, daß sie unterwegs war, um für ihn eine Zusammenkunft mit wichtigen Leuten vorzubereiten, brummte er: «Huuumpf! Na, wenn Sie nun schon mal da sind, lassen Sie die Rolläden um zweidreiviertel Zentimeter herunter, leeren Sie meinen Aschenbecher und füllen Sie meinen Füllfederhalter.» Hatte ich diese hochwichtigen Aufträge pflichtgemäß vollbracht, fragte er: «Habe ich Ihnen schon erzählt, wie ich das Holzgeschäft im Staat Louisiana organisiert habe?» Natürlich erwiderte ich mit nein, worauf er mich auf forderte, Platz zu nehmen, und kehrte dann Stunden später Mary ins Büro zurück, fand sie mich in Mr. Chalmers' Büro, wo er sich ein Gläschen Whisky mit Wasser verdünnt nach dem andern zu Gemüte führte und ich seinen Erzählungen lauschte, die sicher schon bis zu Band XVII, Kapitel 32 von der Geschichte Mr. Chalmers', der klüger war als alle anderen Menschen auf dieser Erde, lebend oder tot, gediehen waren.
    Zuzeiten zeigte sich Mr. Chalmers leicht irritiert von Mary und mir, was meist zu wilden Ausbrüchen von seiner Seite führte, wobei er mit Drohungen nicht sparsam umging. Einer dieser Ausbrüche bildete den Abschluß einer Woche, während der er sich besonders scheußlich und schlecht gelaunt aufgeführt hatte und an deren Ende er nach Chikago geflogen war unter Zurücklassung seines Gebisses, das er im Club vergessen hatte. «Gehen Sie in Club und senden Sie Gebiß Luftpost», telegrafierte er Mary. «Von mir aus kannst du verhungern, du ekelhafter Kerl», knurrte Mary und warf das Telegramm in den Papierkorb. «Sofort Gebiß senden sonst entlassen», lautete das nächste Kabel. Mary knüllte es zusammen und beförderte es zum Fenster hinaus. «Anrufe heute abend» verkündete das dritte Telegramm. Daraufhin schickte Mary das Gebiß per Luftpost weg, und als Mr. Chalmers am Abend anrief, war sie süß wie Honig und behauptete, ihm sein Gebiß gleich nach Erhalt des ersten Telegramms geschickt zu haben, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß er herrlich und in Freuden lebe und sich's gutgehen lasse.
    Sehr nahe daran, kurzerhand vor die Türe gesetzt zu werden, waren wir beide gelegentlich einer Reise Mr. Chalmers' nach New Orleans, von der er eine Woche früher als geplant zurückkehrte. Es war ein besonders heißer Nachmittag, und da Mary und ich eine unvorhergesehene Einladung erhalten hatten, an Bord eines Kriegsschiffes zu essen, gaben wir uns in Mr. Chalmers' Privatbüro den Vorbereitungen für den Abend hin. Wir hatten unsere Strümpfe gewaschen und sie zum Trocknen vors Fenster gehängt; wir hatten unsere bunten Seidenkleider aufgefrischt, indem wir sie über Mr. Chalmers' Waschbecken hielten und das Wasser kochendheiß laufen ließen. Dann hängten wir sie auf Bügeln zu den Strümpfen ans Fenster.
    Wir hatten uns gegenseitig die Haare gewaschen und mit Lockennadeln aufgesteckt und nahmen erfrischende Schwammbäder an Mr. Chalmers' Waschbecken, als es an die Türe des äußeren Büros klopfte, die wir wohlweislich versperrt hatten. Mary rief: «Mr. Chalmers hat gerade eine Besprechung. Wer ist da?» Es war der Telegrammbote. Sie forderte ihn auf, das Telegramm unter die Türe zu schieben. Ein wenig später klopfte Mr. Chalmers' Anwalt. Diesmal rief Mary, sie habe sich ihr Kleid zerrissen und müsse es flicken und stünde im Unterrock da. Der Anwalt lachte und meinte, es eile nicht, er habe Dokumente für Mr. Chalmers, aber sie könne sie am nächsten Morgen bei ihm holen kommen.
    «Es klappt alles großartig», frohlockten wir, als wir

Weitere Kostenlose Bücher