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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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unsere Strümpfe und Kleider betasteten, die beinahe trocken waren. Ich hatte das Waschbecken gerade vollaufen lassen, als es abermals klopfte. Einen Fuß aus dem von Seife schaumigen Wasser hebend, sagte ich: «Soll ich fragen, wer da ist?» «Nein», erwiderte Mary. «Es ist beinahe fünf Uhr. Wir tun, als ob wir schon fortgegangen wären.»
    Das Klopfen hielt an und steigerte sich zu wütendem Trommeln an der äußeren Türe. «Soll ich nicht lieber den Mantel Überwerfen und nachsehen, wer draußen ist?» flüsterte ich Mary ängstlich zu. «Laß das lieber bleiben», meinte Mary. «Vielleicht steht einer von den Lesern deines Bulletins draußen.» Wir lachten beide, aber mir wurde erst wieder wohl, als das Gehämmer an der Türe verstummte.
    Mary besprenkelte sich gerade mit Eau de Cologne, und ich trocknete mich mit Mr. Chalmers' letztem sauberen Handtuch ab, als ich glaubte, das öffnen der äußeren Türe und Stimmen zu vernehmen. «Ist die Türe nicht eben geöffnet worden?» fragte ich Mary. «Keine Spur», beruhigte meine Schwester mich.
    Wieder meinte ich, Stimmen zu hören, und diesmal schienen sie bereits aus dem Konferenzraum zu kommen. Mary hatte ihre sämtlichen Verschönerungsutensilien auf Mr. Chalmers' Schreibtisch ausgebreitet und tat meine Einwände mit der Bemerkung ab: «Hör auf, so nervös zu sein.»
    In diesem Augenblick flog die Türe auf, und herein stürmte wie ein Stier in die Arena Mr. Chalmers mit dunkelrotem Gesicht und halb zerkauter Zigarre im Mundwinkel. Mit vor Wut heiserer Stimme röhrte er: «Wer hat die Türe zugeschlossen? Und was geht hier vor, verflucht noch mal?» Hinter ihm stand der Verwalter des Gebäudes, einen Bund Schlüssel in der Hand. Er sah ausgesprochen verlegen drein bei unserem Anblick.
    Mary thronte im Unterrock und mit aufgewickelten Haaren vor Mr. Chalmers' Schreibtisch und sagte hoheitsvoll: «Sie waren nicht vorgesehen.»
    Mr. Chalmers ließ seinen Koffer und seine Aktentasche zu Boden fallen und brüllte: «Was heißt das? Ich war nicht vorgesehen?»
    «Sie haben Ihre Rückkehr erst für nächste Woche angekündigt.»
    «Ich habe heute morgen telegrafiert», bullerte Mr. Chalmers.
    «Bedaure, ich habe kein Telegramm erhalten», erwiderte Mary gelassen.
    «Natürlich nicht. Ich habe es ungeöffnet draußen gefunden. Hier.» Er warf ihr das Telegramm vor die Nase. «Und jetzt räumen Sie den Kram weg. Das sieht ja aus wie in einer Wäscherei. Ihr seid beide fristlos entlassen.» In der Wut stolperte er über seine Aktentasche, gab ihr einen erbosten Tritt und stürmte zur Türe hinaus.
    Mary und ich nahmen die Strümpfe und Kleider vom Fenster, ließen die Rolläden herunter, wischten das verspritzte Wasser auf, legten Mr. Chalmers' Post auf den Schreibtisch und machten uns bereit, die Stätte unserer Arbeit zu verlassen. Wahrscheinlich weil wir so frisch und kühl aussahen und Mr. Chalmers selbst sich erhitzt und unbehaglich fühlte, nahm er die Entlassung zurück, und zur Belohnung forderten wir ihn auf, uns zum Essen auf das Kriegsschiff zu begleiten, was er auch tat. Auf dem Schiff kredenzte man ihm ausgezeichneten Whisky, und da er bei Tisch neben einem Offizier zu sitzen kam, der ein noch größerer Erzähler von Ich-Geschichten wie «Dem habe ich es aber gesagt» und «Andrew Mellow kam zu mir…» war, verlief alles in schönstem Wohlgefallen.
    Nach Verlauf von sechs Monaten hatte sich das Personal von Mr. Chalmers' Büro um einen Buchhalter und einen Verbindungsmann zwischen Mr. Chalmers und den Holzexporteuren vermehrt. Nach wie vor füllte ich Federhalter, leerte Aschenbecher und regulierte die Rolläden je nach Bedarf. Aber da ich für den Verbindungsmann Diktate aufnehmen sollte, schickte Mr. Chalmers mich für fünfzehn Dollar monatlich in die Abendschule.
    Aus erklärlichem Stolz ging ich diesmal nicht in die Abendschule, die ich auf Geheiß Mr. Websters bereits mit meiner Gegenwart beehrt hatte, sondern wählte eine, die näher an der Autobushaltestelle und daher für mich bequemer lag. Meine Lehrerin war eine nette mütterliche Person, die es einfach nicht fassen konnte, daß ich meine Stenogramme nie mehr zu entziffern imstande war. Sie ließ mich Abend für Abend mein Gekritzel laut vor der ganzen Klasse buchstabieren.
    Der Buchhalter und der Verbindungsmann waren sehr nette Leute, aber sie hatten die dumme Gewohnheit, in Marys und meinen Streitereien Partei zu ergreifen, was dazu führte, daß sie meist böse miteinander waren und einer

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