Betty kann alles
aufzunehmen imstande war, auch in den Aktenstücken ein wenig besser Bescheid wußte und sogar die Skizzen geordnet hatte. «Ich hab dir gleich gesagt, es ist kein Kunststück», sagte Mary nur.
Kurz darauf kam Mr. Webster von der Reise zurück, begleitet von einem wichtigen Mann aus Johannesburg in Südafrika. «Geben Sie mir die Skizzen von der Connor Mine», sägte er, und leichtbeschwingt trat ich zu dem Gestell mit den Karten. In diesem Augenblick erst fiel mir ein, daß bei dem von mir neu eingeführten System nicht der Name der Mine, sondern der Umfang der Skizze ausschlaggebend war.
«Welche Größe hat die Connor Skizze?» fragte ich Mr. Webster. «Groß, mittel oder klein?»
«Was meinen Sie mit ‹groß, mittel oder klein›?» fragte er stirnrunzelnd zurück. «Es ist das große Bündel ziemlich weit vorne in der untersten Lade.»
Mit einem Schlag verflog meine neu erworbene Selbstsicherheit, als mir klar wurde, daß das große Bündel sich in ungefähr fünfundzwanzig verschiedene Rollen aufgelöst hatte, die nun über sämtliche Schubladen verstreut lagen.
Und so verbrachten Mr. Webster, der wichtige Mann aus Johannesburg und ich den Rest des Tages auf dem Boden, wo wir eine Skizze nach der anderen aufrollten. Um halb neun Uhr abends hatten wir den größten Teil der Connor Minen-Mappen beisammen, und ich durfte heimwärts pilgern.
Am nächsten Morgen fand ich eine Notiz auf meinem Schreibtisch. «Bin nach Denver gefahren und werde nicht vor Montag zurück sein. Bitte bringen Sie die Skizzen wieder in die alte Unordnung. Gruß Webster.»
Bevor ich diesen Auftrag aber beenden konnte, wurde das Filialbüro in Seattle aufgelöst, und meine Tätigkeit auf dem Fachgebiete des Minenwesens gehörte der Vergangenheit an.
4
«Du hast auch geglaubt, vom Minenwesen nichts zu verstehen», belehrte mich Mary, als sie mich als ihre Assistentin in dem Büro gegenüber von meinem bisherigen Arbeitsplatz einquartierte. «Beim Holzgeschäft ist es ganz einfach. Man muß nur alles durch zwölf dividieren.»
«Weiß Mr. Chalmers, daß du mich angestellt hast?» fragte ich verzagt.
«Er weiß, daß ich eine außerordentlich tüchtige junge Dame gefunden habe, die während der letzten vier Jahre praktisch in Holzfällerlagem in dem Teil unseres Landes, der am holzreichsten ist, gelebt hat, und was soll das ihn überhaupt kümmern? Du bist meine Assistentin und damit basta. Da, spitz mir diesen Bleistift.»
Ich war beunruhigt. Mr. Chalmers liebte es nicht, mit Kleinigkeiten belästigt zu werden, dessen war ich mir bewußt, ob er aber Marys neue Assistentin mit einem Gehalt von 125 Dollar im Monat als Kleinigkeit betrachtete, davon war ich weniger überzeugt.
Ich war jedoch absolut sicher, daß er mich hinauswerfen würde, sobald er dahinterkam, wie es in Wirklichkeit um meine «vierjährige Praxis auf dem Gebiet des Nutzholzes» stand, und was schlimmer war: ich fürchtete, daß auch Mary hoch im Bogen fliegen würde als Belohnung für die glorreiche Tat, mich angestellt zu haben. Doch ich hatte meine Rechnung ohne Mary und auch ohne Mr. Chalmers gemacht. Er kannte nur ein Ziel, und das war, der größte und wichtigste Geschäftsmann in ganz Seattle zu sein. Und in Mary hatte er ganz bestimmt die richtige Hilfe gefunden.
So gegen halb elf Uhr morgens betrat Mr. Chalmers das Büro, oder besser gesagt: er donnerte herein. Die Korridortüre zum äußeren Büro wurde heftig geöffnet und flog dann mit lautem Knall ins Schloß; dann folgten die gleichen Geräusche bei der Türe zum Konferenzraum, und der dritte und letzte Knall wurde vom Zuschlagen der Türe seines Privatbüros erzeugt. Gleich darauf begann die Signalvorrichtung auf Marys Schreibtisch in kurzen, ärgerlichen Folgen zu summen. Es hörte sich an wie eine nervös gewordene Biene in einer Konservenbüchse. Bei jedem Türeknallen zuckte ich zusammen, und als das befehlerische Summen einsetzte, sprang ich auf.
Mary, die gerade damit beschäftigt war, Berichte von den Holzschlagplätzen durchzusehen, sah nicht einmal auf. «Soll ich ihn fragen, was er will?» schlug ich zaghaft vor. «Ich weiß, was der alte Ochse will», entgegnete Mary. «Er möchte jemand haben, den er anschreien kann. Morgens ist er immer unausstehlich. Komm, wir gehen erst mal gemütlich Kaffee trinken. Bis wir zurückkommen, hat sich seine schlechte Laune schon etwas gelegt.»
Sie nahm den Hörer vom Telefon, drückte auf einen Knopf am Schaltbrett vor dem Apparat und sagte: «Ich
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