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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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und Schreibmaschine schreiben lernten, ich aber doch die einzige war, die eine Stellung hatte. Als ich dies Mary erzählte, zuckte sie nur die Achseln: «Hab' ich dir nicht gleich gesagt, daß jemand mit Grütze im Kopf nicht in die Abendschule zu gehen braucht?»
    Das Gefühl, die personifizierte Tüchtigkeit zu sein, bekam ich leider nie, aber gegen Ende Juni war ich wenigstens soweit, nicht mehr vor Angst das Weinen unterdrücken zu müssen, wenn Mr. Webster mich zum Diktat rief. Auch wurden die Löcher in meinen Briefen mit der Zeit kleiner, und es gelang mir ab und zu nun schon, gleich beim ersten Einspannen in die Maschine das Durchschlagpapier richtig einzulegen. Manchmal fand ich bereits in den Akten, wonach ich suchen sollte, und mit den Landkarten und geologischen Skizzen war ich ebenfalls mehr oder weniger vertraut.
    Die Akten und die Skizzen waren die Schmerzenskinder des Büros für mich, und ihretwegen bereitete ich dem armen Mr. Webster viel Kummer. Nie kam ich dahinter, nach welchem System Briefe eigentlich abgelegt wurden. Manche kamen in Akten, die den Namen des Schreibers trugen, andere wurden unter dem Namen der Mine eingeordnet, wieder andere gehörten in eine kleine schwarze Mappe, auf der groß Dringend stand, und für einige war der richtige Platz eine Schublade mit der Bezeichnung Pendent .
    Hätte ich aufgehört, mich im Büro zu benehmen wie eine aufgescheuchte Motte, die ums Licht torkelt, und hätte ich die Korrespondenz durchgelesen und ein paar intelligente Fragen gestellt, wäre ich sicher bald hinter das Ablegesystem gekommen. Leider tat ich dies aber nicht. Ich glaubte, riesige Tüchtigkeit vorzutäuschen, wenn ich fortwährend emsiges Beschäftigtsein demonstrierte, mich hütete, irgendeine Frage zu stellen, und selbst die Belehrungen, die Mr. Webster mir freundlicherweise zukommen lassen wollte, mit einem gehetzten «Ich weiß schon! Ich weiß schon!» abtat. Und weil ich mir diese Theorie zum Leitsatz machte, sucht der arme Mr. Webster noch heute nach manchen Briefen und Skizzen in seinem Büro.
    Nahm ich einen Brief zur Hand, der die Aufschrift Fulton Minengesellschaft trug und von einem Mann namens Thompson unterzeichnet war, so zählte ich einfach an meinen Knöpfen ab, ob das Schreiben unter F oder T einzureihen war. Fragte dann Mr. Webster ein paar Tage später nach dem Brief über die Beede Mine, so begann ich fieberhaft unter B zu suchen, darauf unter M, unter Pendent , unter Dringend , unter meinem Schreibtisch, unter Mr. Websters Schreibtisch, um rein zufällig vielleicht eine Woche später den Brief der Fulton Minengesellschaft, unterzeichnet von Mr. Thompson, über die Beede Mine unter F oder T zu finden.
    Es fällt mir jetzt selbst schwer zu glauben, daß ich wirklich so dumm war, aber ich war es. Das läßt sich am besten am Beispiel der Skizzen erläutern.
    Eines regnerischen Tages, als Mr. Webster gerade abwesend war und ich mich wie üblich zu betätigen suchte, stieß ich auf das Gestell mit den gerollten Skizzen. Tausende von Rollen lagen da, unordentlich zusammengebunden, kreuz und quer durcheinander.
    «Wie kann der arme Mr. Webster je eine Skizze finden in diesem Durcheinander?» fragte ich mich selbst, holte mir einen Stuhl, ließ mich vor dem Gestell mit den Skizzen häuslich nieder und machte mich bereit, mit hausfraulicher Gründlichkeit Ordnung in das Chaos zu bringen. Für einen Mineningenieur sind Skizzen, was für einen Architekten Baupläne und für einen Arzt lebende Patienten sind; sie stellen den Beweis dafür dar, daß er etwas gelernt hat und sein Handwerk auszuüben versteht.
    «Hier sind Erzvorkommen», erläuterte Mr. Webster manchmal, indem er eine der Skizzen ausbreitete und auf graue Flecke deutete. «Wenn man durch diesen Berg einen Tunnel baut, dieses Flußbett umleitet, hier eine Eisenbahn anlegt und dort einen Schmelzofen errichtet…»
    Die Skizzen waren, wie gesagt, wichtig, und so nahm ich mir denn eine nach der anderen vor, radierte kunstfertig die Flecken darauf aus, rollte die Blätter zusammen und sicherte jede einzeln mit einem Gummiband um die Mitte. Der nächste Schritt war die Anordnung nach Größe und Umfang. Die dünnen Rollen legte ich in die oberste Schublade, die dickeren in die zweite, die umfangreichsten in die unterste. Ich war sehr müde und staubbedeckt, als ich dieses Werk vollendet hatte, aber ich glühte vor Begeisterung über meinen Ordnungssinn.
    Abends bei Tisch erzählte ich Mary, wie ich nun schon Diktate

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