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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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blauem Verdeck und blauen Stoßstangen erstanden. An Sonnabendnachmittagen im Frühling kletterten wir alle in den Wagen und gondelten los auf die Haussuche.
    Einerseits war es unrecht von uns, die armen Häusermakler so an der Nase herumzuführen, denn oft, wenn wir angefahren kamen und sie uns aus unserem Auto aussteigen sahen, eilten sie dienstfertig herbei, Schlüssel in einer Hand und unterschreibfertige Verträge in der anderen. Aber andererseits taten sie, was sie konnten, um uns hereinzulegen.
    «Dieses prachtvolle Gebäude», pflegten sie zum Beispiel zu sagen, wenn sie die schief und krumm in den Angeln hängende Türe eines von Ameisen verseuchten alten Gemäuers zu öffnen versuchten, «dieses prachtvolle Gebäude war lange Jahre das Heim einer der ersten Familien Seattles. Es wird nur wegen der Steuern verkauft; direkt verschenkt kann man sagen.» Worauf wir uns alle Mann hoch in das Gebäude begaben, die Kinder sofort mit Gebrüll die Treppen hinauf oder in den Keller hinunterrasten und wir anderen mit amüsiertem Lächeln die herumliegenden leeren Whiskyflaschen, die Abdrücke von Lippenstift an den Wänden und auch andere untrügliche Beweise dafür entdeckten, daß «eine der ersten Familien Seattles» sich offensichtlich ihr Einkommen mit verbotenem Schnapsverkauf und Mädchenhandel verbessert hatte.
    Manchmal stießen wir auf wirklich fabelhafte Gelegenheitskäufe. Einer war zum Beispiel ein geräumiges Gasthaus nördlich der Stadt, das sicher an die 85 000 Dollar Baukosten verursacht hatte und nun für 5500 Dollar zu haben war. Das Haus enthielt dreizehn Schlafzimmer, einen saalartigen Wohnraum, Speisezimmer, Frühstückszimmer, Bibliothek, Musiksalon und Billardzimmer, und in jedem Raum befand sich ein Kamin. Herrliche Scheunen, zehn Acker Land und ein Bach gehörten dazu, und wir hatten zahlreiche heftige Auseinandersetzungen darüber, wer welches Zimmer bekommen würde und wie wir es einrichten wollten. Der Häusermakler bekam unsere sich stetig wiederholenden Besuche und die endlosen Diskussionen so satt, daß er uns den Schlüssel übergab. Daraufhin pflegten wir an Sonntagen hinauszufahren, unser mitgebrachtes Picknick an Ort und Stelle zu verzehren und unsere Zukunftsträume weiter auszuspinnen. Der Makler war selbstverständlich erpicht auf den Handel, weil unser einzutauschendes Haus im Universitätsviertel viel leichter zu verkaufen war, und wir waren drauf und dran einzuziehen, als Mary in ihrer entsetzlich praktischen Art die Aufmerksamkeit darauf lenkte, daß der nächste Autobus fünf Meilen entfernt hielt, die nächste Schule etwa achtzehn Meilen entfernt war und der frühere Besitzer bei näherer Befragung zugab, daß es pro Monat von zweihundert Dollar aufwärts kostete, auch nur den untersten Stock von eisiger Kälte auf eine halb erträgliche Temperatur zu bringen.
    Wir waren so enttäuscht, daß Cleve eine riesige Yacht für uns aufspürte, die für ein Butterbrot zu haben war und viel vorteilhafter als jedes Haus schien, weil keine Grundbesitzsteuem, keine Licht-, Gas- und Telefonrechnungen zu zahlen waren, wir überdies die Fische für unsere Mahlzeiten frisch fangen konnten und uns immer die Möglichkeit offenstand, vor Leuten, die Rechnungen eintreiben kamen, oder solchen, die wir nicht zu sehen wünschten, die Laufplanke hochzuziehen. Unglücklicherweise befand sich die Yacht in Alaska, und Cleve kam nie dazu, hinzufahren und das schwimmende Haus herunterzubringen.

10
    Bis ich meine Studien in den verschiedenen Abendschulen begann, verbrachte ich mein Leben im bedrückenden Bewußtsein meiner Minderwertigkeit. Meine Geschwister und meine Freunde konnten sich in dem Ruhm sonnen, die hübschesten oder besten Tänzer, die mutigsten Taucher, die schnellsten Schwimmer, die längsten Unter-Wasser-Atem-Halter oder die anerkanntesten Tennisspieler zu sein. Sie vollbrachten auf alle Fälle Spitzenleistungen und wurden als die Gescheitesten, Witzigsten, Tüchtigsten, Höchstbezahlten oder Empfindlichsten gegen Heuschnupfen bezeichnet, während ich armes Geschöpf mir Bemerkungen anhören mußte wie: «Ach, was für himmlisches Haar Mary hat! Wie weithin leuchtendes Kupfer und so seidig und lockig. Betty hat auch nettes Haar, selbstverständlich. Wahrscheinlich wirkt es so buschig, weil es so dick ist.»
    Doch dann begann meine Abendschul-Karriere, und nach zehnjährigem Versuch, Stenographie zu erlernen, wurde ich endlich auch für eine Spitzenleistung konkurrenzfähig, wenn auch

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