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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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kerzenbeleuchteten Gemüsesuppe an den Tisch setzten, meinte der hochnäsige junge Mann: «Ihr Bards seid doch köstliche Leute! Ihr habt nur Gemüsesuppe und Brot auf dem Tisch, aber ihr gebt der Tafel einen festlichen Anstrich, indem ihr bei Kerzenbeleuchtung diniert.» Der Tropf war zu vornehm, um in die Küche zu gehen, sonst hätte er bemerkt, daß wir so köstlich waren, auch das Geschirr bei Kerzenbeleuchtung abzuwaschen. Als er sich verabschiedete, bereitete es uns außerordentlichen Spaß zu beobachten, wie er für etwa zehn Minuten am Schalter herummanipulierte und versuchte, das Licht auf dem Vorplatz anzuschalten. Schließlich rief er meiner Mutter zu: «Sydney, Liebste, es ist mir unangenehm, Sie darauf aufmerksam machen zu müssen, aber das Licht auf dem Vorplatz brennt nicht. Bitten Sie doch einen der vielen herumschwirrenden Verehrer Ihrer Töchter, eine neue Birne einzuschrauben.» Da wir alle lachten, glaubte er, sehr witzig gewesen zu sein und wiederholte seine blöde Bemerkung.
    Als unser Brennholz zur Neige ging, trieb Mary eine alte Handsäge auf und führte uns zu dem nahegelegenen Stadtpark, wo wir uns beim Zersägen des Fallholzes ablösten. Wir waren gerade dabei, den ersten Ast zu zersägen, als zwei Parkwächter vorbeikamen und sich erkundigten, was zum Teufel wir da trieben. Mary erklärte ihnen wahrheitsgemäß, was wir taten und warum wir es taten, und zu unserer Überraschung halfen sie uns daraufhin beim Sägen und Heimtragen des Holzes und hoben in Zukunft Fallholz für uns auf.
    Während der Krisenzeit pflegten wir alle direkt nach der Arbeit heimzukommen, und Mary brachte zum Essen oder zum Übernachten alle diejenigen ihrer guten oder nur zufälligen Bekannten mit, für die sie Mitleid empfand. Manche dieser Leute waren sehr begabt und gescheit, andere wieder durchschnittlich, doch einige unerträglich langweilig. Mary war dies gleichgültig. Für sie waren alle Menschen von Fleisch und Blut interessant.
    Jeden Abend saßen bei uns so zwei bis zehn Zuzügler am Tisch, die Mutters Genie, Makkaroni, Spaghetti, Hackbraten oder Gemüsesuppen für so viele zusätzliche Münder zu strecken, auf die Probe stellten. Wir teilten das vorhandene Essen, das Holz aus dem Park und die Betten. Nach Tisch spielten wir Bridge oder Karten oder auch Klavier, rollten auf unseren kleinen Zigarettenrollmaschinen aus Stummeln neue Zigaretten, tranken literweise Kaffee, der nur siebzehn Cents das Pfund kostete, aßen Zimtbrötchen, lasen laut Mark Twain vor, machten uns über uns selbst und unsere Freunde lustig, legten eine Grammophonplatte nach der anderen auf, tanzten nach der Musik im Radio und beklagten uns bitterlich, daß unsere Vorgesetzten versuchten, unsere Individualität zu ersticken, indem sie uns zwangen zu arbeiten.
    Meistens waren wir verliebt, aber damals war dieser Zustand nicht so einschneidend wie heute. Man hatte gar kein Geld, sich selbständig zu machen und zu heiraten, und so wurden die großen Leidenschaften ausgekostet, indem man zusammen vor dem Kamin saß, Rupert Brooke zitierte, psychologischen Vorträgen im Radio zuhörte oder zum Wasserreservoir hinauswanderte und die im Regen flimmernden Lichtreflexe auf der dunklen Wasserfläche beobachtete.
    Sonnabends pflegten wir alle vor dem Radio zu sitzen und den Fußballkämpfen zuzuhören. Besonders Mutter war eine begeisterte Zuhörerin, trug in eine Karte Gewinne und Verluste der führenden Mannschaften ein und stöhnte verzweifelt, wenn der Radioreporter sich in Schilderungen über das Wetter oder das Publikum erging, statt genau zu berichten, wo der Ball gerade war. Nie vergaß sie zu sagen, daß es im Westen keinen rechten Fußballgeist gäbe und wir einmal ein Spiel zwischen Yale und Harvard hätten erleben müssen. Machte unsere Seite ein Tor, brüllten wir aus vollen Kehlen, so daß die Hunde bellten, die Kinder aufwachten und zu plärren begannen und die Nachbarn die Vorhänge zurückzogen und strafend zu uns herüberblickten.
    Ich freute mich stets auf den Sonnabend. Es war so wunderbar, voller Spannung heimzukommen und die Haustüre zu öffnen und sich zu fragen, wer wohl alles da sein würde. Ich liebte die Dämmerung an den Sonnabenden und genoß den Anblick der vom Regen oder Nebel gedämpften Lichter in der Stadt und den Ton der hellen, erregten Stimmen der Kinder, die trunken vom verspielten Nachmittag heimwärts trotteten; ich liebte den dumpfen, angenehmen Laut der ins Schloß fallenden Haustüren, die die

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