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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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taten.
    Sich mit Mrs. Halvorsen zu unterhalten, war gleichbedeutend mit dem Beiwohnen vieler Begräbnisse, aber sie war eine freundliche, nette Frau und brachte mir oft Kostproben von Sirup Spisser, Fattigman und Sand Kakers mit, so daß meine Stenogrammhefte während dieser Zeit nicht nur unleserlich, sondern auch fettfleckverziert und von Krümeln bestreut waren. Mrs. Halvorsen war die einzige unter uns, deren Produkte veröffentlicht worden waren. Kirchenblätter in Norwegen und in den Vereinigten Staaten hatten ihre Gedichte gedruckt, und wenn sie auch nie Honorare dafür bekommen hatte, so waren wir doch alle sehr stolz auf sie.
    Eine andere meiner Kolleginnen in dem Kurs schrieb Geschichten über ihre eigenen Erlebnisse. Sie waren alle sehr bedrückend und handelten davon, wie man das arme Geschöpf hinausgeworfen und nicht bezahlt hatte, oder wie sie auf der Straße ausgeglitten war, sich die Hüfte brach und die Stadt alle Entschädigungsansprüche ablehnte, oder es war die Rede von einer schrecklich geizigen Frau, für die sie gearbeitet hatte und wo es zum Essen für die Herrin mitsamt den beiden Dienstboten nur ein halbes Pfund Hackfleisch gab. Niemand nahm die Geschichten an, und die unglückliche Verfasserin begriff nicht warum.
    «Ich sage die Wahrheit», klagte sie mit ihrem harten Akzent. «Ich sage die Wahrheit, nichts als die Wahrheit.» Ich deutete an, daß sie vielleicht etwas zuversichtlicher und fröhlicher schreiben sollte, und zitierte Mark Twain als Beispiel. «Sie meinen, ich soll Witze machen?» fragte sie mich, und als ich bejahte, ging sie heim und machte sich daran, in ihre bedrückenden Geschichten hier und da derbe Witze einzuflechten.
    Ein untersetzter dicker Grieche war der Überzeugung, daß nicht Qualität, sondern Quantität ausschlaggebend sei, und kam deshalb zu jeder Stunde beladen mit Zentnern schlecht geschriebener, fettiger Manuskripte. Die Helden seiner Geschichten waren stets ein schwachsinniger Detektiv und ein womöglich noch blöderer Polizeioffizier, denen es nie gelang, der Bande von Dieben und Mördern auf die Schliche zu kommen, die mit zäher Ausdauer immer wieder in einen Delikatessenladen einbrachen. Der Inhaber des Delikatessenladens war ein Grieche und der schlaueste und geschickteste Bursche, der jemals schwarz auf weiß geschildert worden ist.
    Die allgemeine Klassenkritik zerzauste den Dicken so grausam, daß er manchmal dem Weinen nahe war. Mrs. Halvorsen und ich hatten Mitleid mit ihm und luden ihn zum Kaffee ein. Um ihn zu trösten, erzählten wir ihm, er sei ein Genie. Er nahm die Feststellung hin und erwiderte: «Ich schreib Unmengen Zeug. Ich schreib oft die ganze Nacht.» Wir sagten, wir seien überzeugt davon, daß er eines Tages berühmt werden würde, und er war uns so dankbar, daß er jeder von uns eine Flasche Metaxa Schnaps verehrte.
    Mary hatte insofern recht, daß ich keine personifizierten Tüchtigkeiten in den Abendkursen traf und meine Stenographiekenntnisse sich nur wenig besserten, aber es tat mir ungemein wohl, mich in einer größeren Klasse umzusehen und das beruhigende Gefühl zu haben, daß wir ausnahmslos alle Versager waren.

11
    Rechnungen haben etwas eigenes an sich. Sie kommen in Kuverts mit kleinen Fensterchen darin hereingeschneit und bringen Männer dazu, die Lippen zusammenzukneifen, während Frauen eher dazu neigen, ratlos umherzublicken und verwundert auszurufen: «Da muß jemand auf meine Rechnung eingekauft haben!»
    Ein Mensch, der Rechnungen einzieht, ist ein Mann mit widerlich lauter Stimme und unüberwindlichem Haß auf jedes andere Lebewesen. Eine Firma, deren Aufgabe es ist, Rechnungen für andere Leute einzutreiben, ist eine Ansammlung von Männern mit widerlich lauten Stimmen und dementsprechend vervielfältigtem Haß auf alle anderen Lebewesen. Überdies weiß solch eine Rechnungseintreiberei immer, wo das verfolgte und eingetrieben werden sollende Geschöpf aufzuspüren ist.
    So wenig, wie ich mich jemals einem Menschen verbunden fühlen könnte, der Hunde nicht mag, so unmöglich wäre mir eine enge Beziehung zu einem Menschen, den nie unbezahlte Rechnungen verfolgten. Schulden zu haben ist sehr unangenehm und kommt wahrscheinlich meist vom eigenen Unvermögen, sich beim Kaufen im Zaum zu halten, aber erst diejenigen, die die Zentnerlast von Schulden kennen, die lange Nächte damit verbracht haben, mit blinden Augen in die düstere Höhle mit der Aufschrift «Zukunft» zu starren, die mit der Kraft der

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