Betty kann alles
Verzweiflung versucht haben, eine Dollarnote zu Form und Umfang einer Fünfdollarnote zu zerren, die vor jedem Kuvert mit dem bewußten Fensterchen gezittert haben und vor Scham zusammenzuckten, wenn die barbarische Trompetenstimme des Eintreibers ertönte, die sich vor den inquisitorischen Fragen des Geldverleihers gewunden haben, erstehen aus solch vielfacher Qual als menschenähnliches Wesen und Hundefreund.
Daher fühlte ich mich vermutlich nie sehr zu Bankiers hingezogen. Bankiers erinnern mich unweigerlich an ein kleines Mädchen, mit dem ich in Butte manchmal gespielt hatte. Das kleine Mädchen – Emily war ihr Name – hatte stets einen großen Vorrat an Zuckerstengeln bei sich, die sie in einer gestreiften und fest verschlossenen Papiertüte mit sich herumzutragen pflegte. Hatte Emily Lust auf einen Zuckerstengel, so öffnete sie die Tüte, nahm einen Zuckerstengel, steckte ihn in den Mund, verschloß die Tüte wieder und sagte zu uns, ihren Spielgefährten, die wir leer schluckend dabeistanden: «Ich würde euch ja gerne Zuckerstengel anbieten, aber meine Mama erlaubt's nicht.»
Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß alle Bankiers kleine Emilys sind. Erst wenn man ihnen bewiesen hat, daß man selbst einen großen Vorrat an Zuckerstengeln hat und sowieso keinen Appetit darauf verspürt, sind sie bereit, ihre gestreiften Papiertüten zu öffnen und einem einen Zuckerstengel daraus anzuvertrauen. Gelüstet es einen aber unbändig nach einem Zuckerstengel, und der Hunger dreht einem beinahe den Magen um, sagen sie: «Ich würde euch ja so gerne einen Zuckerstengel geben, aber mein Verwaltungsrat erlaubt's nicht.»
Was ich mir aber zum Freund und Kameraden, abgesehen von einem Bankier, am wenigsten wünsche, ist ein Privatdetektiv, der für ein Kreditunternehmen Auskünfte einholt. Diese Detektive sind durch Veranlagung und Erziehung nur an der Vergangenheit interessiert, halten nichts von der Zukunft, wenig von der Gegenwart, nehmen mindestens für sechs Jahre übel, was ihnen nicht paßt, vergessen nie von anderen begangene Fehler und sind stets auf der Lauer, alte Unannehmlichkeiten wieder aufzuwärmen. Detektive für Auskunfteien sammeln alles Häßliche, was jemals jemand über jemand gesagt hat, so wie andere Leute ausgefallene Rezepte sammeln.
Wenn man sich im Jahre 1943 einen Staubsauger kaufte und dann zweimal nicht genau auf den Termin die Raten zahlen konnte, weil ausgerechnet damals der Mama die Fischgräten im Hals steckenblieben und Bobby sich den Arm brach und die Kanalisation repariert werden mußte, und man stellt im Jahre 1949 ein Gesuch um Erteilung eines Kredits, dann nimmt sich der Angestellte des Kreditbüros einen Stapel weißer Kärtchen vor, bläht die Nüstern und sagt hoheitsvoll: «Sehr bedauerlich, aber hier steht, daß Sie Ihren Verpflichtungen nicht pünktlich nachkamen, als sie einen Staubsauger auf Kredit kauften, und überdies haben Sie sich uneinsichtig benommen.»
Der einzige Mensch, der es nicht nur fertigbrachte, mit der geschilderten Art Kredithyänen fertig zu werden, sondern diese Besserwisser völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen, war meine Mutter. Mutter ist eine wirklich charmante und außerordentlich begabte Frau, aber sie versteht von Geld soviel wie ein Sperling in der Luft, und mit ihr über finanzielle Fragen diskutieren zu wollen ist gleichbedeutend mit dem Versuch, Fische mit den Händen zu fangen.
Rief der Eintreiber eines Kreditbüros Mutter an und brüllte durchs Telefon: «Sie haben versprochen, Montag ins Büro zu kommen und eine Abschlagszahlung zu leisten. Wieso sind Sie nicht erschienen?» zuckte Mutter nicht zusammen und brach auch nicht in Tränen aus, sondern erwiderte freundlich: «Ach, ich weiß, aber ich hatte am Montag so schrecklich viel zu tun.»
Schnauzte der Eintreiber daraufhin: «Wieso sind Sie dann nicht am Dienstag gekommen?» bat Mutter höflich: «Würden Sie so freundlich sein, einen Augenblick zu warten? Die Katze scheint sich verschluckt zu haben.» Hatte die Katze sich dann beruhigt, nahm Mutter den Hörer wieder auf. «Entschuldigen Sie, Mr. Crandall, daß ich Sie habe warten lassen. Worüber sprachen wir? Ach ja, was am Dienstag los war. Dienstag war eine Elternversammlung in der Schule.»
«Und Mittwoch?» brummte Mr. Crandall.
«Mittwoch ist es schrecklich schwer, jemanden zu finden, der die Kinder hütet», war die Antwort.
«Aber Donnerstag», fuhr Mr. Crandall unbarmherzig fort.
«Donnerstag war ausgeschlossen»,
Weitere Kostenlose Bücher