Betty kann alles
erklärte Mutter entschieden. «Am Donnerstag war der Kaminfeger da, und ich mußte auch Mrs. Murphys Mittagessen zubereiten.» Mrs. Murphy war unsere Putzfrau, aber dies begriff der Kreditbürolist nicht mehr ganz. Erschöpft erkundigte er sich schließlich: «Kommen Sie wenigstens heute?»
«Heute auf keinen Fall», wehrte Mutter ab. «Ich muß Alison ein Kleid nähen.»
«Also gut, dann setzen wir Montag fest, ja?» schlug der Eintreiber mit einem letzten Fünkchen Hoffnung vor.
«Gut, sagen wir einmal nächsten Montag», stimmte Mutter bereitwillig zu. Und nachdem der Hörer am andern Ende schon wieder aufgelegt worden war, setzte sie hinzu: «Wenn nichts dazwischenkommt.»
Die gleiche entnervende Taktik ihrer eigenen Logik wandte Mutter Mary und mir gegenüber an.
«Ich habe dir am Donnerstag fünfundzwanzig Dollar für die Gasrechnung gegeben, Mutter», hielt ich ihr vor, «und gestern haben sie mich angerufen und gemahnt, die Rechnung sei immer noch nicht bezahlt.»
Mutter, ihre Aufmerksamkeit ungeteilt dem Garnieren eines Apfelkuchens zuwendend, fragte freundlich: «Mit wem hast du gesprochen?»
«Mit einem Mr. Ellsworth.»
«Ist Mr. Ellsworth der mit dem Knollen hinter dem Ohr?» erkundigte sich Mutter interessiert.
«Ob er einen Knollen hat oder nicht, weiß ich nicht, aber er spricht mit stark südlichem Akzent.»
«Ach, dann muß Mr. Hastings der mit dem Knollen sein. Mr. Ellsworth ist der, dessen Tochter das Examen nicht bestanden hat. Er ist ganz verzweifelt deswegen.»
«Auf welches College ist sie denn gegangen?» mischte sich Dede ein.
«Wellesley», antwortete Mutter. «Und ich habe ihm gesagt, daß eine mir sehr liebe Freundin in Wellesley unterrichtet und ich an sie schreiben werde, um mich zu erkundigen, ob man wegen seiner Tochter denn gar nichts machen kann.»
«Wen kennst du denn in Wellesley?» fragte Alison.
«Charles Hortons Schwester Mabel.»
«Mabel ist doch die, die sich immer den Rock ganz straff um die Knöchel zieht, wenn sie auf der Couch sitzt, und durch die Nase spricht und behauptet: ‹Jede Pore des menschlichen Körpers ist von Anmut und Rhythmus erfüllt›?» wollte Dede wissen.
«Sie trägt meist selbstgewebte Stoffe, und sie ist wirklich nett», erklärte Mutter.
«Ach, diese schreckliche alte Jungfer!» warf Mary ein. «Sie kommt doch hoffentlich nicht her?»
«Wahrscheinlich packt sie schon ihre selbstgewobene Pracht ein», frohlockte Dede.
«Ich finde Mabel reizend», beharrte Mutter.
«Das glaubst du selbst nicht», versetzte Mary. «Du findest sie die verkörperte Langeweile, aber du willst es nicht eingestehen, weil sie aus Boston stammt.»
«Was hast du mit den fünfundzwanzig Dollar für das Gas gemacht?» brüllte ich dazwischen.
«Schrei nicht», wies Mutter mich zurecht. «Ich habe sie dem Eiermann gegeben.»
«Aber ich habe sie dem Gaswerk fest zugesagt», entgegnete ich verzweifelt, «und der Eiermann ist sowieso erst nächste Woche fällig. Wieso hast du ihm jetzt schon Geld gegeben?»
«Weil seine Frau Gelenkentzündung hat», sagte Mutter mit freundlicher Bestimmtheit und im Brustton der Überzeugung, absolut richtig gehandelt zu haben. «Und jetzt eßt den Apfelkuchen, solange er warm ist.»
Mutter pflegt unangenehme Fragen auf die Weise zu beantworten, indem sie das unwichtigste Wort der gestellten Frage übernimmt und es zum Ausgangspunkt einer Unterhaltung macht. Am besten läßt sich ihre Methode an einem Beispiel erläutern, das meine beiden Kinder betrifft. Als Anne und Joan neun beziehungsweise zehn Jahre alt waren, belauschten wir eines Tages zufällig folgendes Gespräch.
Die Kinder saßen auf den Stufen der rückwärtigen Veranda und unterhielten sich über die Schule.
Mit dramatisch verhaltenem Unterton der Empörung sagte Anne: «Hast du gewußt, daß Janice erst zehn Jahre alt ist, und sie raucht schon?»
«Welche Marke?» erkundigte sich Joan.
Mutter, die es für ihre Pflicht hielt, die kleinen Geschäftsleute zu unterstützen, richtete in unseren Haushaltsberechnungen mehr Verwirrung an, als eine Weltregierung zu gewärtigen haben würde. Mutter hatte einen Eiermann, eine Brotfrau, einen Kaninchenmann, einen Geflügelmann, einen Kräutermann, einen Gemüsemann, einen Buttermann, einen Milchmann, einen Wäschemann, einen Kohlenmann, einen Mann für jede benötigte Holzart, einen sehr guten Klempner, einen mittelmäßigen, der aber auch sonntags kam, wenn Not am Mann war, einen Elektriker, einen Bürstenlieferanten,
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