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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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wegen Wucher gefaßt machen.
    Bis ans Ende meiner Tage werde ich die unbändige Freude und das Gefühl der Erleichterung nicht vergessen, das ich an dem Tag empfand, an dem ich vom Verband der Staatsangestellten die Mitteilung erhielt, daß alle meine Rechnungen bezahlt seien und ich, abgesehen von einigen hundert Dollar, die ich von meinem Gehalt zurückzuzahlen hatte, mich wieder als solvent betrachten könne.
    Kann mir jemand verübeln, daß ich die Regierung liebe und es mir geradezu Freude bereitet, Steuern zu zahlen?

12
    Zufällig sah ich letzthin eine Zeitungsnotiz, daß manche Frauen ihr Kleiderproblem lösen, indem sie einem Schneider hunderttausend Dollar im Jahr geben und es dann seine Sache sein lassen, sie zu kleiden. Ich kann nur sagen, daß solch ein Schneider vermutlich die Mäntel mit zusammengenähten Hundertdollarnoten füttert. Kleider bilden ein Problem für jede Frau, aber abgesehen von den Fällen, in denen man einem Schneider hunderttausend Dollar für seine Entwürfe gibt, handelt es sich meist darum, wie man für das Geld, das dem Zahnarzt zugedacht war, ein Kostüm kaufen kann, ohne den Zahnarzt wissen zu lassen, daß dies auf seine Kosten geschieht.
    Während der Krise war es natürlich besonders schlimm mit der Kleidung. Wenn es schon schwierig ist, sich für hunderttausend Dollar gut anzuziehen, wieviel schwieriger ist es da erst, das Kunststück ohne Geld zu vollbringen. Zum Glück konnten wir alle unsere Sachen gemeinsam tragen, und wer bei uns des Morgens zuerst aufstand, war am besten angezogen. Doch trotz dieses glücklichen Umstands konnte man unsere Roben nicht mit solchen Phantasienamen bezeichnen, wie die Modejournale sie ihren Modellen gaben. «Dämmernder Nachmittag», «Ländliches Vergnügen», «Ein Nachmittag im Museum» oder «Musikalisches Zwischenspiel». Unsere Kleider waren eingeteilt in folgende Kategorien: «Sauber», «Schmutzig», «Arbeit», «Verabredung» und «Scheußlich». Die Kategorie «Scheußlich» wurde nur im Hause getragen.
    Unser Problem war nicht, uns zwischen einem Modell von Dior und einem von Carnegie zu entscheiden, sondern erst einmal überhaupt etwas Anziehbares zu ergattern und es dann vor Alison und ihren Schulfreundinnen zu hüten. Alisons Freundinnen nisteten sich in unseren Kleiderschränken ein wie Motten, sobald wir nur den Rücken kehrten. Wir drohten Alison mit den schrecklichsten Folterungen, wiesen ihre Freundinnen aus dem Haus, aber es nützte alles nichts, und während der vier Jahre, die sie in die höhere Schule ging, wurde kein Kleid von Mutter, Mary oder mir jemals kalt.
    Ich reinigte und bügelte zum Beispiel ein Kleid, um es am nächsten Morgen frisch und sauber zur Arbeit anziehen zu können, aber wenn ich es aus dem Schrank nehmen wollte, war es verschwunden, und auf dem Bügel hing ein zerdrückter Rock und eine unter beiden Armen zerrissene Bluse.
    «Wo ist mein braunes Kleid, Alison?» rief ich argwöhnisch.
    «Welches braune Kleid?» antwortete Alison unschuldsvoll, aber mit rastlos umherschweifendem Blick.
    «Mein Bürokleid. Ich habe es gereinigt und gebügelt, und jetzt ist's verschwunden.»
    «Keine Ahnung», versetzte meine Schwester, schlüpfte aus dem Zimmer auf die Veranda und signalisierte der Freundin, die mein Kleid gerade trug, einen Umweg um unser Haus zu machen. Kam ich des Abends heim, hing das gereinigte braune Kleid zerdrückt und nach einem süßlichen Parfüm riechend im Schrank.
    Lange Zeit kauften wir unsere Kleider in guten Geschäften, nur warteten wir, bis die Preise stark heruntergesetzt waren, was mit sich brachte, daß wir Sommerkleider erstanden, wenn die übrige Bevölkerung sich auf den ersten Schnee vorbereitete. «Nicht die Kleider, eure  Persönlichkeiten zählen», hielt uns Mutter vor, und so pflegten wir unsere Persönlichkeiten, stopften unsere Kleider und träumten von dem Tag, an dem wir reich, prachtvoll gekleidet und unpersönlich sein konnten.
    Und dann entdeckten Dede und ich die «Occasionsquelle», einen komischen, unansehnlichen Laden mit komischen, unansehnlichen Verkäufern und Geschäftsstunden, die Musikern und Nachtvögeln angepaßt waren. Die Kleider, die man dort erstand, trugen, abgesehen von den Etiketten anderer Länder, oft Spuren von Puder am Ausschnitt, eine vergessene Anstecknadel und hatten sogar gelegentlich Taschentücher in den Taschen. Die mit Waren vollgestopften Schaufenster zeigten selbst im Sommer Kinderpelzmäntel, dicke, reich bestickte

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