Betty kann alles
Hochachtung› unterschrieben habe. Dede, die weinte, plärrte nur: «Das macht man doch so.»
Mutter zahlte die drei Dollar und begleitete den Scheck mit ein paar spitzen Bemerkungen über die Qualität der Ware und das Alter der Verkäufer, die von der Firma beschäftigt wurden. Gammy hielt Dede einen Vortrag, daß nur Räuber Dinge nehmen, für die sie nicht bezahlen können.
Die Jahre vergingen, und ich kam von der Farm in die Stadt. Auf der Farm war das Errechnen des Budgets denkbar einfach gewesen. Man mußte das Futter von den Eiern abziehen, die Säcke dazuzählen, das Benzin abziehen, die Kartoffeln dazuzählen, die Buttermilch abziehen, die Schweine dazuzählen. Hier in der Stadt stand ich plötzlich vor dem Problem, mit einem System fertig zu werden, bei dem ich mein Gehalt zweimal monatlich erhielt, die großen Rechnungen einmal monatlich präsentiert wurden, Mutters «Türgeher-Lieferanten» wöchentlich oder auch täglich erschienen, Versicherungen vierteljährlich bezahlt werden mußten und Steuern am Ende des Jahres fällig waren. Ganz gleich, wie oft wir nur Makkaroni mit Käse aßen, es reichte nie, und irgendeine Rechnung blieb bestimmt ungeregelt. Meist dann, wenn wir gerade bei Tisch saßen, läutete es, und jemand trompetete in unsere Ohren: «Einkassieren für die Zeitung… Einkassieren für die Nähmaschine… Einkassieren für das Brennholz… Einkassieren für die belgischen Hasen…»
Wir taten unser Geld zusammen, und Mary, Mutter und ich versuchten so gut wir konnten, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, aber es war ein aussichtsloses Unterfangen. Es ließ sich dem Erklimmen eines glatten Felsens vergleichen. Waren wir endlich oben und wollten verschnaufen, so brach entweder ein Pfosten der Veranda oder das Klosett überflutete das Badezimmer oder die Kanalisation war leck oder es war gerade Weihnachten, und wir rutschten mit blitzartiger Geschwindigkeit wieder herunter von unserer erhöhten Position.
Und dann gab es natürlich Dinge wie zum Beispiel meine fünf grünen Abendkleider, die ich im Verlauf eines einzigen Winters kaufte und aufschreiben ließ.
Meine trübsten Erinnerungen sind mit dem Frühling nach diesem Winter verquickt. Monatelang war ich im Autobus zur und von der Arbeit gefahren, und immer hatte ich direkt vor Augen die lockenden Inserate: «Benützen Sie Kredit! Kaufen Sie bei uns, und zahlen Sie über ein Jahr verteilt. Fragen Sie nie, wieviel eine Sache kostet – sagen Sie einfach: schreiben Sie es auf mein Konto!»
Eines Tages folgte ich dem weisen Rat. Ich eröffnete in einem der großen Warenhäuser ein Konto und erstand einen Mantel aus handgewebtem Tweed für nur fünfzehn Dollar. «Ein Konto hilft einem sparen», verkündete ich am Abend der aufhorchenden Familie. «Wie hätte ich mir sonst diesen spottbilligen Mantel leisten können? Von jetzt an lassen wir alles aufschreiben, was wir kaufen, und am Ende des Monats zahlen wir die Gesamtsumme.»
«Wunderbare Idee!» «Klingt einleuchtend!» «Herrlich!», lauteten die Kommentare der Familie.
Anfänglich waren wir vorsichtig und begrenzten unsere Einkäufe auf wirklich nötige Gegenstände wie Töpfe und Pfannen, Strümpfe, Wassergläser und Badezimmerteppiche. Die kleinen Rechnungen am Ende des Monats zu bezahlen, bereitete keine großen Schwierigkeiten. «Seht ihr, ein Konto macht das Leben viel einfacher!» frohlockte ich. Und als Folge dieser Erkenntnis eröffnete ich auch in anderen Geschäften Konten. Dann kam Weihnachten, und ich sagte überall: «Belasten Sie mein Konto! Belasten Sie mein Konto!», und wenn ich zögern wollte, lächelten die Verkäufer und meinten aufmunternd: «Zögern Sie nicht. Was Sie im Dezember kaufen, muß erst im Februar bezahlt werden.» Im Dezember erscheint einem der Februar so weit entfernt wie der Juli, und so zwängte ich mich durch die Weihnachtsmenge, beladen mit Geschenken, den Duft der Tannennadeln in der Nase und die kommende Katastrophe auf den Fersen.
Doch bald war Weihnachten vorbei, und vorbei war es auch mit meiner Stellung im Holzhandel. Unentrinnbar wie der Tod schlich sich der zehnte Februar immer näher. «Geh hin und rede mit den Leuten», empfahl mir Mutter. «Erkläre ihnen, daß du deine Stellung verloren hast und nicht zahlen kannst, bevor du nicht eine feste Stellung gefunden hast.» «Ja», machte ich mit Grabesstimme. «Eine feste Stellung, die mir fünftausend Dollar im Monat einbringt. Ich begreife das nicht. Da muß jemand mein Konto
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