Betty kann alles
belastet haben!»
«Zahl jedem eine Kleinigkeit», rief Mary. «Zahl fünfzig Cents, damit sie den guten Willen sehen und wissen, daß du die Schuld anerkennst.»
Aber wie konnte ich Mr. Beltz mit den Fischaugen gegenübertreten, nachdem er mir nur widerstrebend Kredit eingeräumt hatte, und ihm für fünf grüne Abendkleider fünfzig Cents Abzahlung anbieten? Nein, ich würde es auf meine Art erledigen, erklärte ich.
Meine Art bestand darin, des Nachts grübelnd wachzuliegen und zu beobachten, wie die Laterne von der Straße Reflexe auf die Zimmerwand warf und Gefängnisgitter malte. Meine Art war, mich herumzuwälzen und mich immer und immer wieder zu fragen: «Warum hast du das getan? Was hast du dir gedacht? Was wirst du tun?»
Ich drehte mein Kissen herum, um eine kühle Stelle zu finden, und nahm es der Familie übel, daß sie sich der bitteren Wirklichkeit mit der Flucht in segensreichen Schlummer entzog.
«Du bist ein Opfer der allgemeinen Situation», tröstete Mary mich. «Millionen Amerikaner haben ihre Arbeitsplätze plötzlich verloren und schulden Geld. Ich bin überzeugt, daß die Leute, denen wir Geld schulden, wieder anderen schuldig sind. Überlege dir das mal.»
Ich tat es, aber mir half es wenig, denn ich folgerte, daß Mr. Beltz, falls er wirklich jemandem Geld schuldete, nur um so unerbittlicher versuchen würde, die ihm geschuldete Summe aus mir herauszupressen. Fünf grüne Abendkleider! Ich mußte wahnsinnig gewesen sein. Ich ging nur sehr selten zu Gesellschaften, wo man Abendkleider tragen mußte, und es war ja schließlich nicht gesagt, daß ich jedesmal in Grün und jedesmal in einer unbezahlten Robe zu erscheinen hatte.
Schließlich und endlich ging der Februar vorüber, der ja sowieso ein kurzer Monat ist, aber ich hatte zwölf Pfund abgenommen, war schrecklich nervös und hatte Ringe unter den Augen, daß ich aussah wie ein Seidenäffchen. Etwas mußte geschehen.
Eines Tages fiel mein Blick auf ein großes Plakat an der Straße, von dem mich ein freundlicher Herr anlächelte. Aus den Händen des freundlichen Herrn quollen Zehn- und Zwanzigdollarnoten, und in einer Rauchwolke rechts von dem lächelnden Herrn waren seine Gedanken zu lesen: «Warum kommen Sie nicht zu uns, zur Freundlichen Darlehensgesellschaft? Wir wollen Ihnen helfen. Wir wollen Ihnen Ihre Sorgen abnehmen. Kommen Sie zu uns und erlauben Sie uns, unser Geld mit Ihnen zu teilen.» Das war die vom Himmel gesandte Antwort auf mein Flehen.
Ich eilte zu den stickigen, dunklen Büros der Freundlichen Darlehensgesellschaft.
«He?» machte die freundliche Dame hinter dem Schreibtisch, und ihr Mund öffnete sich für diesen Laut so weit, daß ich bei mir dachte, solch ein Schlund gehörte als Bärenfalle in den Wald.
«Ich möchte Geld leihen», sagte ich und fügte mit heiterem Lächeln hinzu: «Eine Menge Geld.»
Miss Freundliches Darlehen betrachtete mich unbeteiligt, verschob ihre Lippen darauf nach links und rief: «Charlie, Kundschaft!»
Charlie hatte eng zusammenliegende grüne Schlitzaugen in einem winzigen Kopf. Er führte mich in sein Büro und durchlöcherte mich eine Stunde lang mit Fragen. Ich hatte mir vorgenommen, lauter Lügen aufzutischen und anzugeben über meine Stellung, mein Bankkonto und meine Rechnungen, aber bei Charlie konnte man keine Lüge anbringen. Er packte sie mit spitzen Fingern, hielt sie gegen das Licht und händigte sie einem unansehnlich geworden wieder ein mit dem Ersuchen, sie gefälligst zu behalten.
Nachdem ich endlich alle Auskünfte erteilt hatte, mußte ich einen Schuldschein über hundert Dollar unterschreiben, und Charlie reichte mir nur zweiundsechzig Dollar in bar. Die restlichen achtunddreißig gingen für Unkosten, Risikoversicherung und vermutlich das riesige Inserat auf. Der Zinssatz betrug zwölf Prozent, und ich hatte alle zwei Wochen fünf Dollar zu zahlen. Ich dankte Charlie überschwenglich und machte dann mit meinen zweiundsechzig Dollar die Runde bei allen Geschäften, bei denen ich ein Konto hatte, und gab zusammen mit einer Abschlagszahlung großartige Versprechen bezüglich zukünftiger weiterer Zahlungen ab.
Als ich heimkam, tat ich der Familie gegenüber mit meinem finanziellen Genie groß, erzählte von dem lieben guten Charlie und schlief in dieser Nacht zum erstenmal wieder.
Es war ein Glück, daß ich wenigstens diese eine Nacht sorglos war, denn von da an wurde mein Leben zu einer wahren Hölle. Meine Stellungen waren fast alle vorübergehender
Weitere Kostenlose Bücher