Between Love and Forever
mir? Dass ich Lügen erzähle? Dass ich mich wichtig machen will?
Auf jeden Fall werden sie enttäuscht von mir sein. Und das war bis jetzt nie der Fall. Aber wenn Tess nicht aufwacht, wenn ich in Zukunft alles abkriege, was sie zu geben haben, wird es sich nicht vermeiden lassen. Wie sollen sie nicht enttäuscht sein, wenn sie mich ansehen und daran denken, was Tess aus ihrem Leben gemacht hätte?
Und dass ich niemals wie Tess sein werde.
Ich will meine Eltern nicht im Stich lassen, aber ich werde es kaum verhindern können. Ich versuche gar nicht erst, wie Tess zu sein. Warum ist sie nach der Party nicht einfach wieder ans College zurückgefahren? Aber nein, sie musste ja unbedingt nach Hause kommen, um meine Eltern wiederzusehen. Um über ihre Fächerkombination mit ihnen zu reden, sie um Rat zu fragen und sich bei ihnen zu bedanken, dass sie immer für sie da waren.
Mit anderen Worten, die perfekte Tochter. Während ich nur herumgeschmollt und mich weit weggewünscht habe. Ich war auf keiner Silvesterparty, sondern bei Claire drüben und habe muffiges Mikrowellenpopcorn mit ihr gegessen. Im Fernsehen haben die Leute die ganze Zeit herumgekreischt, wie toll das neue Jahre werden würde, und Musiknummern abgenudelt, die miserabel lippensynchronisiert waren. Und immer wieder wollten die Fernsehfuzzis einen zum Feiern animieren, bis ich es nicht mehr hören konnte und zu Claire gesagt habe, dassich nur einen guten Vorsatz für das neue Jahr hätte: das Wort »feiern« nie so auszusprechen, als ob es eine Pflichtveranstaltung wäre.
Ich gehe in die Cafeteria, hole mir eine Limodose an einem der Getränkeautomaten an der Wand am anderen Ende, reiße die Lasche auf und blicke mich im Raum um. Normalerweise sitze ich bei dem Plastikbaum in der Ecke und beobachte die Leute, die zum Fluss hinausschauen, während ich im Stillen nachrechne, wie lange die Schwestern noch brauchen, bis sie Tess versorgt haben und ich wieder zu ihr reingehen kann.
Ich zähle die Minuten, denn sonst könnte ich leicht in Trostlosigkeit versinken und mit leeren Augen aus dem Fenster starren, auf den Fluss hinaus, so wie die anderen hier.
Bis ich irgendwann aufstehe und nie mehr zurückkomme.
Das Krankenhaus ist deprimierend. Ein einziges Warten auf den Tod, einfach nur warten, und Tess’ Station ist so still, als sei die Welt fortgegangen, und wenn ich könnte, würde ich nie mehr wiederkommen.
Ich komme her – bin hier –, nicht weil ich meine Pflicht erfülle und tun will, was richtig ist, sondern weil ich Tess zurückholen will. Weil ich will, dass sie wieder da ist. Wirklich da.
Ich will sie hier rausholen und in ihr altes Leben zurückbringen. Sie soll wieder ans College zurück, damit alles wieder so ist wie nach ihrem Umzug. Ich stand zwar immer noch in ihrem Schatten, aber nicht direkt darunter.Wurde nicht davon erdrückt. Aus der Ferne konnte Tess nicht ganz Ferrisville ausfüllen. Da war sie nur noch eine Erinnerung. Eine starke, aber mehr auch nicht.
Und jetzt liegt sie hier, ein tragischer Fall, und wieder beherrscht sie mein ganzes Leben und Denken.
Mitten in diesen Gedanken entdecke ich plötzlich Eli an der anderen Seite des Raums, ertappe ihn dabei, wie er zu mir herschaut.
Ich zwinge mich, ihm direkt in die Augen zu starren, obwohl ich nicht weiß, wie ich reagieren soll, wenn er mich so ansieht. Warum schaut er überhaupt zu mir her?
Dann hebt er eine Hand und winkt.
Etwas zögernd, das sehe ich, und es gibt mir einen Stich, wofür ich mich hasse – aber immerhin winkt er.
Weglaufen.
Das würde ich jetzt am liebsten. Weglaufen, rennen, als sei der Teufel hinter mir her, nur weg, weit weg von Ferrisville, von allem hier. Ich möchte rennen und rennen, bis ich in den Spiegel sehen kann, ohne mir zu wünschen, dass ich mehr wie Tess wäre, obwohl ich doch weiß, dass es aussichtslos ist.
Ich will weglaufen, aber ich weiß, was passiert, wenn man etwas erzwingen will. Wenn man sich unerfüllbare Hoffnungen macht. Ich habe mich an Jack geklammert, weil ich dachte, dass er mich irgendwann lieben würde. Aber er hat mich nicht geliebt.
Ich dachte, ich sei endlich frei, als Tess ans College ging, aber jetzt bin ich noch enger an sie gefesselt, so eng,dass ich hier sitze und alles tun würde, nur um sie aufzuwecken.
Ich könnte heulen, dass schon wieder ein Typ vor mir sitzt, der immer nur Tess sehen wird, und ich kann mich noch so sehr dagegen sträuben, etwas in meinem tiefsten Herzen will ihn trotzdem. Sieht
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