Between Love and Forever
wider besseres Wissen, aber er beendet seinen Satz nicht, verstummt nur und trommelt wieder mit den Fingern gegen seine Beine.
»Wenn du wüsstest, wie ich das hasse«, sagt er schließlich und schaut auf seine Finger. »Ich hasse mein Gehirn. Wenn es richtig funktionieren würde, dann würden meine Eltern ... ach, ich weiß nicht. Dann müssten sie mich nicht verstecken.« Er sieht mich an. »Wie ist das eigentlich, wenn man Eltern hat, die einen wirklich mögen?«
»Da musst du Tess fragen«, sage ich und erschrecke selbst, wie bitter es klingt. Eli legt den Kopf zur Seite undschaut mich verwundert an. Ich schäme mich sofort dafür, nicht nur weil meine Eltern geradezu toll im Vergleich zu seinen sind, sondern weil es ja nicht ihre Schuld ist. Ich bin nun mal nicht Tess. Dafür kann niemand was.
»Ich hab’s nicht so böse gemeint, wie es klingt«, sage ich. »Meine Eltern sind okay. Nur ... verstehst du, seit Tess den Unfall hatte, ist es ... Ich bin nicht Tess, das ist das Problem und es ist so unübersehbar, so aussichtslos, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Ich kann die Leute nicht um den Finger wickeln, wie Tess es konnte. Ich kann nicht glänzen wie sie. Tess könnte viel besser mit der Situation umgehen, wenn ich jetzt an ihrer Stelle da oben liegen würde. Sie hat immer alles richtig gemacht und ich ... ich kann das einfach nicht.«
»Das versteh ich nicht. Ich finde es ganz okay, was du machst.«
»Aber ich nicht. Wenn Tess in den nächsten Tagen nicht aufwacht, wird sie in ein Pflegeheim verlegt. Und meine Eltern ... es bricht ihnen das Herz, verstehst du? Sie sind todunglücklich und Tess würde es schaffen, sie da rauszuholen. Sie würde sie ablenken, würde dafür sorgen, dass sie sich stattdessen auf sie konzentrieren müssten.«
»Das klingt ... ich weiß nicht. Hört sich ziemlich theatralisch an«, sagt Eli.
»Tess war nicht ... na ja, okay, sie hat schon immer dafür gesorgt, dass sie im Mittelpunkt steht«, sage ich. »Aber du hast sie nicht gesehen ...«
»Doch«, sagt Eli. »Und du bist genauso hübsch wie sie, finde ich.«
Jetzt lache ich richtig, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, ich lache, obwohl mein Herz Purzelbäume schlägt und wie verrückt in meiner Brust hämmert – in einem wilden, hoffnungsvollen Rhythmus.
»Okay«, sage ich, als ich ausgelacht habe, und stehe auf, um die Treppe runterzugehen, auf den Parkplatz hinaus. »Aber trotzdem danke ... danke, dass du das gesagt hast. War echt nett von dir.«
»Hey, das find ich wirklich«, sagt er leise und steht auf, um mir nachzugehen. »Warum glaubst du immer, dass deine Schwester so viel toller ist als du?«
»Weil es so ist. Und immer so war.«
»Wer sagt das?«
»Alle.«
»Ich bin nicht alle«, sagt er, als wir aus dem Krankenhaus gehen, und lächelt mich an.
Ich lächle zurück. Kann einfach nicht anders.
Schweigend gehen wir zum Fahrradständer hinüber, aber als ich mein Rad aufschließe, sagt Eli: »Danke, dass du mir zugehört hast.«
»Ich hör dir gern zu«, sage ich und würde mir am liebsten einen Tritt dafür geben. »Ich meine, ist doch keine große Sache.«
»Doch, für mich schon«, sagt er. »Du bist der einzige Mensch außer Clement, mit dem ich je über meine Zwangsneurose gesprochen habe. Und Clement – der wusste es sowieso schon.«
Wieder trifft er mich mitten ins Herz und ich könnte ihn küssen, weil er so ... so verdammt lieb ist. Weil er nicht zurückschießt, wenn ich ihn wegzustoßen versuche. »Ich hab nicht ... du bist auch der Einzige, mit dem ich je über Tess geredet habe. Ich meine, dass ich nicht wie sie bin.«
»Also für mich hört sie sich ganz schön zickig an«, sagt Eli. »Und du ...«
Wehe, er sagt jetzt, dass ich vernünftig und zuverlässig bin oder etwas in der Art – ein guter Kumpel eben –, dann sterbe ich.
»Du denkst immer, dass du in ihrem Schatten stehst«, sagt er. »Aber das stimmt nicht. Du kannst auch glänzen. Also bis morgen dann, okay? Ich muss jetzt zu Clement.«
»Okay«, bringe ich hervor, dann stehe ich nur da und schaue ihm nach, bis er wieder im Krankenhaus verschwunden ist.
Er findet, dass ich auch glänzen kann.
Den ganzen Heimweg über denke ich darüber nach. Und über Tess.
Kapitel 30
Tess war – nein, ist – nicht zickig oder theatralisch. Nicht wirklich jedenfalls. Klar wusste sie immer, was sie wollte, und hat es auch bekommen, auf Teufel komm raus – seien es gute Noten oder dass sie in ihrem Traumcollege angenommen
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