Beutewelt 01 - Bürger 1-564398B-278843
denn es kam einer Vernichtung im sozialen Bereich gleich. Entlassen zu werden bedeutete, keinen Globe, so nannte man die internationale Währung seit dem Jahre 2018, mehr in der Tasche zu haben. Wenn man nicht schnellstens eine neue Anstellung fand, konnte man Wohnung, Nahrung und letztendlich auch sein Leben verlieren.
Jegliche soziale Absicherung durch den Staat war seit dem kompletten Zusammenbruch der Weltwirtschaft im Winter 2012/13 vollständig abgeschafft worden. Und Arbeit zu finden war in einer Zeit, in der die industrielle Produktion im alten Mittel- und Westeuropa zum größten Teil in die Dritte Welt ausgelagert worden war, mehr als schwierig. So kämpften sich Millionen in jener dunklen Gegenwart mit extrem schlecht bezahlten Jobs durch, hangelten sich von einem Hungerlohn zum anderen oder fielen einfach durch das soziale Netz und endeten als Bettler und Obdachlose, die langsam vor sich hin siechten.
Am nächsten Tag wachte Frank nach einer sorgenvollen und unruhigen Nacht nicht vom schrillen Geheul seines Weckers auf, sondern durch den fauligen Geruch aus dem Treppenhaus, der entgegen des Zeitgeistes, noch von keinem liquidiert worden war.
Erst in den frühen Morgenstunden hatte er es geschafft einzuschlafen, schreckte jedoch immer wieder auf, weil ihm das Grübeln und die unschönen Gedanken lange den Schlaf verwehrten.
Als erster Gedanke des neuen grauen Tages schoss ihm das Gesicht des Herrn Sasse in den Kopf und die Miene von Bürger 1-564398B-278843 verzog sich zu einer hasserfüllten Fratze, als er sich vorstellte, wie er den Beamten wie einen räudigen Hund mit einer Eisenstange erschlug.
„Dieser Bastard! Wenn ich jetzt wegen dem vor die Hunde gehe, dann mache ich ihn vorher kalt!“ fauchte er zornig. Dann hob er sich aus dem Bett und starrte aus dem schmutzigen Fenster seiner Wohnung im 23. Stock. „Verdammt, was mache ich denn jetzt?“ dachte er sich. „Ich muss irgendwie Geld verdienen, sonst sperren sie mir noch diesen Monat das Konto auf meinem Scanchip, weil ich die verfluchten Rechnungen nicht mehr bezahlen kann.“
Nach einer weiteren Stunde nutzloser Grübelei verließ er seine Wohnung, atmete im Hausflur nicht allzu tief ein und stieg die dunklen Treppen hinab ins Erdgeschoss. Der Aufzug war seit Monaten defekt und niemand schien auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ihn zu reparieren.
Der einzige, der Frank als potentieller Arbeitgeber in der Not einfiel, war Stefan Meise, der Schrotthändler, ein alter Schulfreund. Sein Schrottplatz war etwa eine halbe Stunde Fußmarsch von seinem Wohnblock entfernt.
So machte er sich auf den Weg durch die mit Müll übersäte Strasse seines Viertels und erreichte einige Zeit später müde und frustriert sein schlammiges, mit rostigen Autos und allerlei Eisenschutt bedecktes Ziel. Stefan Meise war in diesem Berg von Rostteilen allerdings nicht schwer zu finden. Er war dick, vollbärtig und sehr groß geraten. Eigentlich unterschied er sich optisch kaum von dem, was er sammelte und verkaufte.
„Hallo Stefan! Ich dachte, ich schaue mal vorbei!“ begrüßte ihn Frank etwas halbherzig.
„Ach, der Frank Kohlhaas, was? Wie ist die Lage?“ antwortete der dicke Schrotthändler. „Von dir habe ich ja ewig nichts mehr gehört.“ „Ja, ich dachte, ich besuche dich mal. Läuft der Schrotthandel noch, Stefan?“ fragte Frank. „Du hast hier ja.äh.einiges an Zeug rumliegen. Woher bekommst du das denn immer her?“
„Naja, ich sammele ein, was ich finden kann. Wie man das als Schrotthändler halt so macht. Was soll die komische Frage, hä? Was gibt es denn, Kohlhaas?“ erwiderte Meise.
„Ich bin gestern aus meiner Arbeitsstelle rausgeworfen worden“ sagte Frank. Sein rundliches Gegenüber schaute etwas verwundert und rieb sich seine öligen, breiten Finger an seinem schwarzblauen Overall ab.
„Das ist ja ein Mist, Frank! Und nun?“ fragte Stefan leicht ratlos.
„Ja, nun suche ich etwas Neues. Notfalls auch nur als Aushilfe. Vielleicht kannst du ja noch eine helfende Hand gebrauchen?“ murmelte der junge Mann.
Für eine halbe Minute glotzte Meise den Arbeitslosen aus seinen gelblich wirkenden Glupschaugen an. Dann blickte er zu Boden und versuchte seine unangenehme Antwort möglichst schonend zu verpacken.
„Also bei mir arbeiten oder wie?“ fragte er nach. „Also, Frank, es ist zur Zeit bei mir so.so, dass ich also selbst gerade mal über die Runden komme. Es sind schlechte Zeiten, das brauche ich dir ja nicht zu
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