Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
flüchteten daraufhin.
„Gib mir den DC-Stick!“, schrie Frank und riss seinem Freund den Datenträger aus der Hand. Mit zitternden Fingern tippte er sich durch das Menü und öffnete den Stadtplan von Smolensk.
„Komm!“ Er winkte Bäumer zu sich und sie rannten mit letzter Kraft weiter.
Nach einer halben Stunde hatten die beiden ihr Auto erreicht und sausten mit quietschenden Reifen davon. Am Straßenrand johlten einige Anhänger Uljanins und warfen ihnen finstere Verwünschungen hinterher. Frank kurbelte plötzlich das Seitenfenster herunter.
„Was tust du da?“, fuhr ihn Bäumer an.
„Ich verpasse diesen Ratten ein paar Kugeln!“, schnaubte Kohlhaas.
„Lass den Mist!“, fauchte Alf nervös.
Doch sein Freund hörte nicht auf ihn, das Adrenalin hatte ihn inzwischen wie ein wildes Tier aufgepeitscht. Als die Kollektivisten sein Sturmgewehr sahen, liefen sie schreiend davon, doch Frank schoss ihnen wütend hinterher und schickte fünf von ihnen zu Boden.
„So! Das haben sie jetzt davon!“, grollte er.
„Lass uns hier endlich verschwinden!“, forderte Alf und beschleunigte den Wagen. In wilder Hast rasten die beiden auf einen Autobahnzubringer in Richtung Orsa und erreichten nach einer halsbrecherischen Fahrt schließlich die weißrussische Grenze. Was aus ihren Mitstreitern geworden war, wussten sie nicht. Allerdings konnten sie sich ausmalen, dass ihre Demonstration diesmal in einem Debakel geendet hatte.
Tatsächlich war die Demonstration in Smolensk eine einzige Katastrophe und eine vernichtende Niederlage für die Freiheitskämpfer der Rus gewesen. Es hatte zahlreiche Tote und Schwerverletzte gegeben.
Bis in die Nacht hinein hatten die Kollektivisten die versprengten Haufen ihrer Gegner durch ganz Smolensk gejagt. Sie waren Tschistokjows Anhängern an den Bahnhöfen und in den dunklen Gassen der Stadt auf den Leib gerückt, um sie brutal zusammen zu schlagen oder gar zu ermorden.
Artur Tschistokjow war ebenfalls nur knapp einer aufgehetzten Meute seiner Feinde entronnen und hatte einen Streifschuss am Arm abbekommen. Die Medien berichteten tagelang über die Ausschreitungen in Smolensk und machten daraus einen „Überfall der Rus auf die friedliche Kundgebung der Kollektivisten“.
„Da jeder Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Gegensätze zwischen arm und reich im Zaum zu halten; da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser sozialen Schichten entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomischen Schicht, welche gleichzeitig auch die herrschende politische Gruppe ist.
Diese herrschende, ökonomische Schicht wird nun immer wieder neue Methoden zur Unterdrückung der armen Menschenmassen erdenken und aufbringen. Der Staat und seine Ordnung sind demnach eine Grundlage des kapitalistischen Ausbeutungssystems …“
Artur Tschistokjow knüllte ein Stück Papier zusammen und warf es in die Mitte des großen Konferenztisches. Die anderen Mitglieder seiner Regierung schüttelten die Köpfe.
„So, so! Das ist also Mardochows klug Philosophie? Dumme Gerede und Lügen!
Den Weltstaat, den seine Logenbrüder in die Realität geschaffen haben, den wir kennen alle. Brutale Oppression, Zerstörung und Sklaverei von ganze Menschheit. Da wird uns auch diese Schrift voll mit Lügen nicht täuschen können!“, schimpfte der weißrussische Präsident auf Deutsch, während er Frank und seinen Außenminister zornig anstarrte.
General Frank Kohlhaas saß heute wieder in seiner Uniform im Präsidentenpalast von Minsk und verdrehte angesichts des vorgelesenen Textes die Augen.
„Uns täuscht das nicht, aber die Masse der Menschen schon. Das hat schon früher funktioniert. Die Masse ist gutgläubig und dumm!“, warf Wilden in die Runde.
Artur Tschistokjow hielt sich seinen verletzten Arm, fluchte leise und erklärte seinen Ministern einige Dinge auf Russisch.
Dann wandte er sich wieder dem Außenminister zu. „Ich habe in Fernsehen gesehen, dass die Kollektivisten jetzt sogar mit Wagen voll Brot durch das Land fahren und die arme Menschen zu essen geben“, bemerkte der Anführer der Rus.
„So etwas nennt man Armenspeisung. Die Kollektivisten holen sich damit eine Menge Sympathien bei den Leuten. Eine rollende Suppenküche!“, erklärte Kohlhaas.
„Suppeküsche? Was ist das?“, rätselte Artur.
„Schon gut! Ist nicht so wichtig! Tatsache ist jedenfalls, dass die Kollektivisten offenbar über nie endende Geldreserven verfügen, um solche Aktionen überhaupt
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