Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
eingenommen werden. Die restlichen GCF-Verbände und auch diese lächerlichen VVM-Milizen haben keine Chance mehr.“
„Was ist mit der russischen Südfront?“, fragte Verteidigungsminister Lossov dazwischen.
Tschistokjow zögerte für einige Sekunden, seine Euphorie schien ein wenig abzuebben. Er räusperte sich und antwortete: „Nun, ich habe keine ganz aktuellen Berichte, Herr Lossov. Es ist mehr oder weniger alles unverändert geblieben – allerdings mit einer für unsere Truppen eher ungünstigen Tendenz. Die GCF-Armee erhält täglich neue Verstärkungen und ich kann nur hoffen, dass unsere Soldaten die Front halten können. Mehr kann ich derzeit nicht sagen.“
Ein leises Gemurmel ging durch den Konferenzraum und schließlich meldete sich Wilden.
„Ich möchte ausdrücklich davor warnen, angesichts der Eroberung Berlins in allzu große Vorfreude auszubrechen. Wir haben zwar ein strategisch wichtiges Bollwerk gewonnen, aber der große Kampf wird erst noch kommen. Weiterhin haben wir kaum Möglichkeiten, die Volksarmee in Westeuropa weiter zu verstärken, da alle neuen Truppen benötigt werden, um den Nationenbund zu verteidigen. Demnach gilt es abzuwarten, was passieren wird, wenn die Hauptstreitmacht der GCF in Westeuropa aufmarschiert ist.“
„Daher müssen unsere Truppen auch so schnell wie möglich weiter nach Westen vorrücken und den Feind angreifen, so lange er noch nicht vollständig angetreten ist“, unterbrach ihn Tschistokjow.
„Unsere Westarmee müsste es bis nach Frankreich schaffen, aber ich bin mir zurzeit nicht sicher, ob sie…“, sagte der Außenminister.
„Höre jetzt mit so etwas auf, Thorsten!“, knurrte der russische Präsident auf Deutsch und erschien gereizt. Wilden winkte ab.
„Schon gut!“, sagte er dann.
Der Anführer der Rus verschränkte die Arme vor der Brust und lief durch den Raum, während ihn seine Männer beobachteten und schwiegen. Für einige Minuten herrschte angespannte Stille.
Nach und nach zerschlug die Volksarmee der Rus den Widerstand der verbliebenen GCF-Truppen und VVM-Einheiten in Berlin und brachte die Metropole schließlich nach harten Kämpfen am 18. April endgültig unter Kontrolle. Dieter Bückling und sein Stab aus Politikern und Verwaltern hatten die Stadt längst verlassen und waren nach Frankfurt am Main geflohen. Hier, im Westen Deutschlands, waren währenddessen Hunderttausende von GCF-Soldaten zu einer waffenstarrenden Abwehrfront aufgereiht worden.
Die unter den Fahnen der Volksarmee kämpfenden Deutschen und die ADR-Trupps durchkämmten Berlin nun nach Kollaborateuren und Verrätern, wobei viele der einst nach Russland geflüchteten Deutschen eine unstillbare Gier nach Vergeltung in sich trugen.
Frank jedoch hielt sich bei dem blutigen Rachefeldzug gegen die entmachtete politische Klasse Berlins zurück und überließ das Strafgericht seinen vor Hass rasenden Landsleuten, die besonders zornig darüber waren, dass sie Dieter Bückling selbst nicht in die Finger bekommen konnten. So ließen sie ihre über Jahrzehnte aufgestaute Wut an anderen aus, denn Kollaborateure gab es in Berlin genug.
Kohlhaas, der bereits im Jahre 2028 seiner alten Heimat den Rücken gekehrt hatte, musste sich hingegen eingestehen, dass das Berlin seiner Jugend kaum noch existierte. Er fühlte sich mittlerweile fremd in dieser riesigen, heruntergekommenen Stadt und auch als er den Stadtteil Lichtenberg, in dem er lange gelebt hatte, besuchte, hielten sich seine Heimatgefühle in Grenzen. Verfall und bitterste Armut zeichneten den hässlichen Plattenbaustadtteil mehr denn je. Frank wurde regelrecht depressiv, als er sehen musste, was die Mächtigen aus seiner Geburtsstadt gemacht hatten.
„Ganz Berlin ist ein einziger Sauhaufen geworden!“, erklärte er des Öfteren seinen russischen Kameraden und kehrte der Stadt nach einigen Tagen enttäuscht den Rücken.
Artur Tschistokjow ließ Berlin mit fast 200000 Volksarmisten besetzen und erteilte den Befehl, die Metropole so gut es ging gegen die sich aus Westdeutschland nähernden Heere der Global Control Force abzusichern. Ansonsten begegneten die meisten der noch in Berlin verbliebenen Deutschen den Rus mit großer Freundlichkeit und bedankten sich dafür, dass sie die GCF vertrieben hatten.
„Bald wird in der deutschen Hauptstadt wieder die Ordnung hergestellt und die Zeit des Leidens beendet sein!“, ließ Tschistokjow den Berlinern in einer über die besetzten Fernsehstationen ausgestrahlten
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