Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
dass ich anscheinend in letzter Zeit recht viel verpasst habe.“
„Die Warägergarde wächst jedenfalls und das Gleiche gilt für die Volksarmee selbst. Wir sind alle ständig dran: Gefechtsmanöver, Häuserkämpfe, Angriffe auf befestigte Stellungen, Fern- und Nahkämpfe. Wir müssen den Neuen alles unter großem Zeitdruck einpauken“, erläuterte Balkov.
„Hmmm!“, stieß Frank lediglich aus.
„Bei dem Manöver sind drei Rekruten draufgegangen, Herr General.“
„So?“
„Ja, die haben mit scharfer Munition rumgeballert, diese Trottel.“
„Hmmm!“
Frank stand von seinem Platz auf, um vor das Fenster zu treten. Dann schwieg er für eine Minute.
„Ich bin der Anführer der Warägergarde gewesen. Der Gründer oder zumindest einer davon. Und jetzt geschieht scheinbar viel hinter meinem Rücken, von dem ich offenbar nichts mitbekommen soll. Zwar reiße ich mich nicht darum, ständig von einer Kaserne zur nächsten zu tingeln, aber es ist trotzdem irgendwie seltsam.“
„Wie meinen Sie das, Herr General?“, fragte Pjotr.
„Ich meine damit, dass ich einer von Tschistokjows engsten Vertrauten bin – oder vielleicht auch war. Und dafür bekomme ich verdammt wenig mit. Ab und zu werde ich zum Inspizieren irgendwelcher Trupps gerufen, aber ansonsten scheint Artur nicht unglücklich zu sein, wenn ich mich nicht allzu oft sehen lasse. Alfred Bäumer ergeht es ja ähnlich“, erklärte Frank und starrte auf die Straße.
„Sie haben so viel für unsere Sache gekämpft, dass Sie sich doch ruhig einmal eine Pause gönnen dürfen. Genießen Sie die Ruhe, Herr General.“
„Ich habe da nur so einige Gedanken, aber vielleicht bin ich auch auf dem falschen Dampfer, Pjotr…“, flüsterte Frank mit nachdenklichem Blick.
„Was für Gedanken denn?“
„Ach! Wahrscheinlich bin ich einfach nicht mehr ganz auf dem Laufenden und schätze somit viele Dinge falsch ein. Schon gut, Pjotr. Lassen wir diese Erzählungen von Soldaten und so weiter. Willst du heute hier übernachten?“
Balkov lächelte. „Wenn das möglich wäre, dann gerne…“
„Ja, ist doch kein Thema, Pjotr. Wir könnten ja heute Abend mal einen Happen in Minsk essen gehen. Ich kenne da ein sehr nettes Restaurant“, sagte Frank. Er drehte sich wieder seinem Gast zu.
„Gerne! Das hört sich gut an, Herr General!“, freute sich Balkov.
„Und nenne mich jetzt endlich Frank und nicht immer „Herr General“. Ich bin doch längst wieder Zivilist – mehr oder weniger jedenfalls“, bemerkte Kohlhaas und zwinkerte dem jungen Mann zu.
Gegen uns!
Die 40 Milliarden Globes, die Mr. Lehmann beschaffen wollte, waren mittlerweile stillschweigend bei Artur Tschistokjow eingegangen. Lediglich Wirtschaftsminister Dr. Gugin, der stets die Staatsfinanzen des Nationenbundes im Blick hatte, wusste davon, hatte sich dem russischen Staatsoberhaupt jedoch gegenüber verpflichtet, den anderen Regierungsmitgliedern nichts von der Transaktion zu erzählen. Der sonnige Juli des Jahres 2047 näherte sich seinem Ende und die Freiheitsbewegung hatte in den letzten Wochen wieder im ganzen Land Massenkundgebungen und Paraden abgehalten.
Hunderttausende Menschen waren allein in St. Petersburg und Minsk zusammengekommen, um die starren Kolonnen der Rus bei ihren Ehrenmärschen für die Gefallenen der Revolution zu bewundern. Hier hatten sich endlose, fahnenschwingende Demonstrationszüge in perfekter Disziplin unter dem euphorischen Jubel der Zuschauer durch die Straßen bewegt.
Artur Tschistokjow war erneut auf Tournee durch viele russische, baltische und ukrainische Städte gewesen, um seine Landsleute noch fester an das Drachenkopfbanner zu binden. Den Höhepunkt der öffentlichen Auftritte des russischen Präsidenten sollte allerdings auch in diesem Jahr der „Tag der russischen Einheit“ darstellen.
Zudem waren die nationalen Medien zu einer neuen, groß angelegten und von Tschistokjow persönlich befohlenen Werbeoffensive übergegangen. Seitdem kamen den ganzen Tag lang Fernsehreportagen und Radioberichte über die erfolgreiche Arbeit der russischen Regierung über den Äther. Man konnte meinen, dass Artur Tschistokjow keinen der über 150 Millionen Menschen in seinem Nationenbund auslassen wollte, wenn es darum ging, die weltanschaulichen Grundsätze der Freiheitsbewegung wieder und wieder in jeden einzelnen Kopf zu hämmern.
„Sie müssen notfalls alle hinter uns stehen, ich werde auch noch den letzten Russen in unseren Kampfbund einbinden!“,
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