Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Verhandlungspartner zu verstehen, dass er über einen Kredit von solcher Höhe erst mit den anderen Vorstandsmitgliedern seiner Bank verhandeln müsse.
„Lassen Sie sich Zeit. Es war auch nur eine Bitte. Wenn Sie sich nicht dazu bereit erklären, Mr. Lehmann, kann ich das gut verstehen. Denken Sie aber auch an den Gewinn und die Zinsen…“, sagte Artur Tschistokjow leise.
Der Geschäftmann aus London lächelte erneut, seine Augen leuchteten. Offenbar schien er schon an die wundervolle Ausbeute bei dieser Sache zu denken und wirkte einen kurzen Augenblick später fröhlich und gelöst.
„Ich melde mich wieder bei Ihnen, Herr Tschistokjow!“, sagte der Banker und schüttelte diesem die Hand.
„Mr. Lehmann, ich habe noch eine Bitte…“, bemerkte der russische Präsident.
„Was kann ich noch für Sie tun, Herr Tschistokjow?“, säuselte der Logenbruder und seine speckigen Backen bebten dabei.
„Dieses Geschäft ist nicht mit meinem Kabinett abgesprochen worden, wir machen es also hinter dessen Rücken. Bewahren Sie daher bitte die nötige Diskretion“, wisperte der Politiker dem Geschäftsmann ins Ohr.
„Ich werde schweigen wie ein Grab, Herr Präsident!“, flüsterte der Mann zurück.
Mr. Lehmann verließ das Besprechungszimmer, nachdem er sich noch einmal herzlichst von seinem neuen Klienten verabschiedet hatte, und verschwand. Artur Tschistokjow starrte ihm aus dem Fenster hinterher, sah dabei zu, wie er unten auf der Straße in eine große Limousine stieg. Der Anführer der Rus presste seine schmalen Lippen zu einem dünnen Spalt zusammen.
„Auf Wiedersehen, Mr. Lehmann!“, murmelte er kaum hörbar vor sich hin. Seine blauen Augen funkelten unheimlich.
Friedrich umklammerte seine Schultüte, die fast so groß wie er selbst war, und lächelte in die Kamera, als ihn seine Mutter mit einem leisen Klicken für die Nachwelt festhielt. Heute wurde der Sohn in der „Dimitri-Donskoi-Grundschule“ in Minsk eingeschult. Friedrich konnte seine Freude kaum in Worte fassen. Durch das ständige Pendeln seiner Eltern zwischen Ivas und Minsk hatte sich sein lang ersehnter Schulbesuch etwas verzögert, aber nun hatten sich Julia und Frank endlich entschieden. Außerdem war der Junge den anderen Kindern ohnehin schon weit voraus, was das Lesen und Schreiben betraf. Er würde wohl ein paar Klassen überspringen können, meinte Frank.
Friedrichs Einschulung bedeutete auch für seine stolzen Eltern, dass ihr Hauptwohnsitz nun endgültig nach Minsk verlegt werden musste, denn in Ivas konnte der Junge keine ihm angemessene Schule besuchen. Das sah Julia jedenfalls so, obwohl sie selbst noch immer in der behelfsmäßigen Dorfschule, die Frau de Vries vor einigen Jahren gegründet hatte, als Lehrerin aushalf. Diese Schule im Herzen der weißrussischen Hauptstadt war allerdings etwas völlig anderes, hier würde Friedrich ein wesentlich größeres Lernangebot vorfinden, was auch für Frank sehr wichtig war.
Inzwischen bewegte sich Julia auf ihr Examen zu und hatte sich fest vorgenommen, ihr Pädagogikstudium an der Universität von Minsk in den nächsten Monaten abzuschließen.
„Ich werde bald ganze Bücher lesen“, flötete Friedrich und schlug glücklich die leuchtenden Äugelchen auf, während er sich an seine Mama presste.
„Guck mal, wie viele nette Kinder hier sind!“, sagte Frank, eine Schar herumtollender Knirpse mit Schultüten betrachtend.
Sie gingen in das Schulgebäude hinein und schüttelten einem in die Jahre gekommenen, freundlich lächelten Lehrer die Hand.
„Sie sind Herr Kohlhaas, nicht wahr?“, sagte dieser zu Frank. Der Mann blickte ihn erwartungsvoll an.
„Ja, so ist es!“, gab der General zurück.
„Ich freue mich, Ihren Sohn hier in unser Schule begrüßen zu dürfen“, erklärte der Lehrer. „Mein Name ist Fjodor Kalita.“
„Sehr erfreut!“, antworteten Frank und Julia im Chor.
„Ich lese bald Bücher!“, plapperte Friedrich dazwischen.
„Ab morgen beginnt das Lernen, mein Junge“, erklärte Herr Kalita schmunzelnd und tätschelte Friedrichs Kopf.
„Jaaa!“, stieß dieser aus, um dann auf der Stelle herumzuhüpfen.
„Nun ist gut!“, beruhigte Julia ihren übereifrigen Sohn.
„Auf Ihren Jungen werde ich besonders gut aufpassen und ihn fördern, Herr Kohlhaas“, sicherte der Lehrer Frank zu.
„Hauptsache es gefällt ihm hier!“
„Davon kannst du ausgehen, Schatz!“, sagte Julia.
„Sie sind ein Held, Herr General. Ich habe den Kindern im
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