Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
harten Maßnahmen, dass mit ODV infizierte Menschen nach Japan gelangen konnten und bewahrte sein Volk dadurch ebenfalls vor den Auswirkungen der tödlichen Seuche.
Ende März 2047 wurden allerdings einige GSA-Agenten von Peter Ulljewskis unermüdlicher Abwehr dabei erwischt, als sie mit ODV-Viren verseuchte Substanzen in Talsperren und Flüsse kippen wollten. Es war ein ungeheurer Vorfall, doch Artur Tschistokjow verzichtete darauf, die Sache überhaupt öffentlich anzusprechen. Er erklärte seinen engsten Mitstreitern, die vor Wut und Empörung rasten, dass es sich hierbei offenbar lediglich um ein Missverständnis gehandelt habe.
Als daraufhin Kritik von allen Seiten erschallte, befahl der russische Staatschef einfach, dass niemand mehr über den Vorfall sprechen dürfe. Schließlich fügten sich seine Getreuen der Anweisung ihres Chefs und ließen die Sache auf sich beruhen. So wütete die ODV-Epidemie unerbittlich weiter, entvölkerte ganze Regionen, schaufelte das Grab für weitere Millionen Menschen, während der Weltverbund alles dafür tat, einen Krieg apokalyptischen Ausmaßes einzuleiten.
George Lehmann, der Banker aus London, der sich seit einigen Monaten in Moskau niedergelassen hatte und mit seinen Mitarbeitern dank der neuen, freiheitlichen Wirtschaftspolitik des russischen Präsidenten schon satte Zinsgewinne hatte erwirtschaften können, war heute von diesem zu einem Gespräch nach St. Petersburg gerufen worden. Der korpulente Logenbruder, der schon so manches Land bereist hatte und sich eigentlich überall dort zu Hause fühlte, wo man Geld verdienen konnte, hatte heute zum ersten Mal die Ehre, mit dem russischen Staatsoberhaupt selbst zu sprechen.
Nun hatten Tschistokjow und er schon eine halbe Stunde belanglosen Smalltalk hinter sich gebracht, um schließlich zu den geschäftlichen Dingen zu kommen.
„Werden Sie Ihre Schulden denn auch irgendwann zurückzahlen können, Herr Präsident?“, fragte Mr. Lehmann mit mildem Unterton.
„Haben Sie eigentlich schon immer in England gelebt?“, fiel ihm Tschistokjow ins Wort.
George Lehmann stutzte. Offenbar war er auf diese Frage nicht vorbereitet. „Nein, nicht immer. Auch mal in Nordamerika, Südamerika und Japan – vor Matsumoto natürlich. Ich war immer da, wo mich das Business hingezogen hat, Herr Tschistokjow“, gab der Geschäftsmann zurück, seine Zähne zu einem Grinsen entblößend.
„Also wenn ich Sie einmal suchen muss, dann frage ich einfach dort nach, wo gerade die besten Geschäfte auf Erden laufen, oder?“, neckte der russische Präsident seinen Gast.
Mr. Lehmann lächelte. „Ja, das kann man so sehen!“
„Dann suchen Sie sich Ihre Heimat also nur nach den Möglichkeiten des Geschäftemachens aus. Ist das richtig?“
„Ja, Herr Tschistokjow. In gewisser Hinsicht schon…“
„Aber muss man da nicht ständig umziehen, Mr. Lehmann?“, ulkte der Anführer der Rus. Er stieß einen kurzen Lacher aus.
„Des Öfteren muss man das…“, gab der Gast zurück.
„Dann kann ich Sie ja beruhigen, denn Russland ist ein Land voller Geschäftschancen. Wir benötigen Geld, viel Geld, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Da ist also etwas für Sie drin und für uns auch“, erklärte Tschistokjow nüchtern.
„Hört sich gut an, Herr Präsident.“
„Ist auch gut, Mr. Lehmann!“, witzelte der blonde Politiker und hob scherzhaft den Zeigefinger.
„Aber wie sieht es mit Ihren Schulden beim Global Bank Trust aus, Herr Tschistokjow? Werden Sie die Gelder denn wieder aufbringen können?“
„Selbstverständlich!“, erwiderte der russische Präsident leicht empört. „Die Wirtschaft des Nationenbundes befindet sich doch in einem rasanten Aufwärtstrend und ich denke, dass Russland mit den Rückzahlungen in etwa drei Jahren beginnen kann.“
„Aber denken sie an die Zinsen, Herr Präsident.“
„Was wäre die Welt ohne sie…“
„Ohne wen?“
„Die Zinsen! Der, der Gelder verleiht und nicht unbedingt produktiv arbeiten möchte, benötigt sie doch, damit auch er leben kann, nicht?“, sagte Tschistokjow zynisch.
„Wenn Sie das so sehen…“, brummte Mr. Lehmann leicht verschnupft.
„Gut, ich würde gerne über Ihre Bank weitere 40 Milliarden Globes organisieren. Die russische Schwerindustrie ist nach wie vor noch nicht so modernisiert, wie ich es gerne hätte. Wir brauchen also noch weitere finanzielle Hilfen.“
Der Banker runzelte seine breite Stirn und dachte nach. Nach einigen Minuten gab er seinem
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