Beverly Barton, Hexenopfer
Royce Pierpont hingezogen fühlte, hatte sie nie »die Verbindung« gespürt.
Granny Butler hatte ihr einmal vor langer Zeit erzählt, sie habe in dem Augenblick, als sie Papa Butler begegnete, gewusst, dass er es war. Sie hatte es aufgrund der starken spirituellen Verbindung gewusst. Granny hatte es ihr zu erklären versucht, doch bis Genny die Gegenwart von Dallas Sloan gespürt hatte – noch bevor er vor ihrer Tür auftauchte –, hatte sie keine Ahnung gehabt, wie mächtig die Verbindung sein würde. Und je mehr Zeit sie mit Dallas verbrachte, desto stärker wurde das Band zwischen ihnen. Er fühlte es, tat es jedoch als bloße körperliche Anziehung ab. Er glaubte an nichts, was über die fünf Sinne hinausging, daher würde es eine Weile dauern, bis er damit klarkam, was mit ihm passierte.
»Sie sind furchtbar still«, sagte Dallas. »Habe ich Sie ermüdet? Ich habe ununterbrochen geredet.« Er zuckte mit den Schultern. »Sieht mir nicht ähnlich, so viel zu reden. Aber Sie haben etwas an sich, das mich veranlasst, Ihnen alles erzählen zu wollen.«
»Man hat mir gesagt, ich könne gut zuhören.«
»Muss wohl so sein. Ich habe im ganzen Leben noch nicht so viel geredet.«
»Es hat Ihnen gut getan, mir über Ihre Familie zu erzählen, über Ihre beiden Schwestern. Mir gefallen die Namen, die Ihre Mutter für ihre Kinder ausgesucht hat. Savannah, Alexandria und Dallas.«
»In den ersten Jahren ihrer Ehe ist sie mit Dad ganz schön herumgekommen. Wenn einer von uns geboren wurde, gab sie diesem Kind den Namen ihres derzeitigen Aufenthaltsorts.«
»Zum Glück kamen Sie nicht in New Orleans oder Los Angeles oder Salt Lake City zur Welt.«
»Ja, und ich hätte es verabscheut, derjenige mit dem Namen Savannah zu sein.« Dallas lachte in sich hinein. »Alles lief ziemlich gut, als wir heranwuchsen. Bis Mom starb. Danach war Dad nie wieder der Alte. Und leider war seine zweite Ehe nicht glücklich.«
Genny legte ihre Hand auf seine. Sogleich versteifte er sich. »Haben Sie keine Angst vor mir«, sagte sie.
Er betrachtete sie skeptisch. »Wovon reden Sie da? Warum sollte ich Angst vor …«
Sie beugte sich auf dem Sofa zu ihm vor und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen, damit er es nicht leugnen konnte. »Ich würde Ihnen nie wehtun. Wissen Sie das nicht?«
Er packte ihr Handgelenk und zog ihre Hand von seinem Mund. »Vor Ihnen habe ich auch keine Angst, sondern vor mir selbst. Und Sie könnten am Ende verletzt werden. Meine Erfolgsgeschichte mit Frauen ist nicht so gut.«
»Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie eine ganze Reihe gebrochener Herzen hinter sich gelassen haben?«
Dallas ließ ihr Handgelenk los und umschloss ihre Hand. »Ich möchte Ihnen sagen, dass ich der falsche Mann für Sie bin, selbst für eine kurze Affäre. Sie und ich haben nicht dieselbe Wellenlänge, sozusagen. Zum Teufel, wir sind nicht einmal im selben Meer. Ich bin ein zynischer Schweinehund. Ich bin seit zwölf Jahren beim FBI und habe die Schattenseiten der Welt gesehen, und das ist kein erfreulicher Anblick. Ich hatte zwei kurze, halbwegs ernste Beziehungen, aber meistens bin ich ein Einzelgänger.« Er ließ ihre Hand los und lehnte sich zurück, um auf Distanz zu gehen.
»Ich bin auch eine Einzelgängerin«, sagte sie. »Ich hatte ein paar romantische Beziehungen, aber keine erreichte ein ernsthaftes Stadium. Und obwohl ich eher optimistisch bin, habe auch ich die dunklen Seiten des Lebens gesehen. In meinen Visionen.«
»Verdammt, Genny, das ist etwas anderes.« Dallas schoss in die Höhe, baute sich vor ihr auf und richtete den Blick starr auf ihr Gesicht. »Sie haben Träume und Albträume, und Sie nennen sie Visionen. Es ist Ihr Unterbewusstsein oder schlicht Ihre Fantasie. Mehr nicht. Jemand hat Sie böse reingelegt, als er Ihnen einredete, Sie hätten eine Art hellseherische Gabe. Ich vermute, Ihre Großmutter hat den Leuten in dieser Gegend die Hexerei übergestülpt und …«
»Granny hatte mächtige Fähigkeiten«, sagte Genny. »Sie hat niemandem die Hexerei übergestülpt.«
»Wenn Sie sich nur selbst reden hörten! Sie glauben im Ernst, Sie könnten hellsehen! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie verrückt das ist?«
Warum musste der Mann, der für sie und nur für sie bestimmt war, als er schließlich in ihr Leben trat, ein so sturer Bock sein? »Ich kann hellsehen. Ich habe Visionen. Ich kann in die Zukunft sehen. Ich weiß oft etwas, bevor es eintritt. Und ich bin nicht verrückt. Ich trage
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