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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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wischt ihn nicht weg.
    »Du bist da dreckig«, sagt Wacho, und David sagt:
    »Kann sein. Was ist los?«
    »Anna kommt wieder. Deine Mutter kommt zurück.«
    »Schön«, sagt David, »aber wohin fahren die anderen?« Draußen rollt das Auto der Nachbarn über den Hauptplatz. Die vier Insassen schauen starr geradeaus, kein Blick zurück, keine Ehrenrunde über den Platz, dieser Abgang hätte im Dunkeln stattfinden sollen.
    »Sie haben die Katze dagelassen«, sagt David.
    »Na siehst du«, sagt Wacho. »Dann kommen sie wieder.«
    »Ich geh jetzt«, sagt David.
    »Wohin?«
    »Arbeiten. Geld verdienen. Danach suche ich Milo.« Wacho lässt sich nicht provozieren, es kostet ihn seine ganze Kraft.
    »Wenn deine Mutter ankommt, rufe ich dich, bleib bitte in Hörweite.«
    Wacho wartet, bis David auf dem Hauptplatz auftaucht, sieht vom Fenster aus zu, wie er die Katze der verschwundenen Nachbarn streichelt, wie er sich umschaut, zum Tore hinüberblickt, kurz überlegt und dann in Richtung des Friedhofs weitergeht. Wacho kann es aushalten, dass David für ein paar Stunden nicht bei ihm ist, er muss ohnehin noch einiges vorbereiten. Die Flaschen müssen weg, damit es ordentlich ist, wenn Anna wiederkommt. Manche Dinge weiß man einfach, zum Beispiel, dass sie genau rechtzeitig da sein wird.
    Dass er zu jemandem gehen kann, zu jemand anderem als
seinem Vater, lässt David abheben. Fast zehn Meter fliegt er über den Hauptplatz hinweg, blind sogar für die Ankündigung des Baubeginns, die Wacho auf den Hauptplatz gepflanzt hat. David fliegt, bis Robert auf ihn zukommt und David landen muss.
    »Du siehst so benommen aus«, sagt Robert, er hat ein Plakat unterm Arm, auf dem ist er ein Herrscher.
    »Mir geht's gut«, sagt David, und Roberts Lächeln verschwindet.
    »Schön für dich«, sagt er und lässt David stehen.
    »Was ist passiert?«, ruft David und läuft Robert hinterher. Der geht weiter, als wäre David gar nicht da. David hält Robert am Ärmel fest: »Was ist los?«
    »Gar nichts«, donnert Robert im Königston. David springt zur Seite, als Robert sein Plakat schleudert. Es trifft ihn am Arm. »Das tut mir leid«, sagt Robert, und das tut es wirklich, er mag David, vor allem, weil der ähnlich ratlos durchs Leben taumelt wie er. Der Unterschied: Robert stellt seine Ratlosigkeit in die Dienste der Kunst. »Du solltest nicht zu gut gelaunt durch die Gegend laufen, die Stimmung ist nicht so toll momentan.«
    »Warum?«, fragt David. »Dann sag mir doch einfach, warum. Ich war nicht da bei der dämlichen Versammlung.« Robert schüttelt den Kopf.
    »Frag deinen Vater, ich hab zu tun. Und im Übrigen, falls du kommen wolltest: Die Vorstellung heute Abend ist abgesagt.« Weg ist er. David ändert seinen Plan, bevor er Milo begegnet, will er wissen, was los ist. Ihm fällt nur eine Person ein, die er fragen kann. Er wird auch ins Tore gehen, aber erst, wenn die wichtigen Dinge geklärt sind und er Milo nicht wieder verlieren kann.
    Durchs Fenster beobachtet Wacho, wie David in Richtung Friedhof läuft. Dass dieser Milo mittlerweile auf dem Friedhof liegt, beruhigt Wacho. Vielleicht hat David sich einen alten
Grabstein ausgesucht, an dem er seine Zeit verbringen kann, höchstwahrscheinlich erzählt sein Sohn einem schon lange Verwesten davon, was für einen unnützen Vater er hat.
    Wacho kommt damit zurecht, gestern einem Gespenst begegnet zu sein. Besser als einer Bedrohung aus dem Keller, und die Geister werden versinken, sobald das Wasser kommt. Draußen schlägt der Wind die Äste der Linde gegen das Schild, das den Baubeginn anzeigt. Im matten Abendlicht sehen sie aus wie dünne Finger, die kraftlos versuchen, das Schild umzustoßen. Irgendwann wird Wacho irgendwas tun müssen, aber er hat keine Ahnung was. Wenn Anna rechtzeitig kommt, bevor er etwas falsch gemacht hat, wie er immer etwas falsch macht, wenn er etwas besonders richtig machen will, wenn sie vorher kommt, könnte sie ihn retten.
    Wacho richtet den Blick auf die Straße, die zwischen den Hügeln hindurch in die Außenwelt führt, er schließt die Augen und denkt an Anna, stellt sie sich vor, wie sie aussah, am Tag, bevor sie verschwand. »Ich raste aus, wenn du nicht kommst«, schwört Wacho. Das ist Erpressung, aber es handelt sich hier um einen Notfall. »Du musst zurückkommen, bevor ich den Verstand verliere.«
    Wacho öffnet die Augen wieder, das Schild hat sich an einer Seite von den Pfosten gelöst, er hat sich nicht besonders viel Mühe gegeben gestern

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