Bevor der Abend kommt
Mensch von Substanz mehr war, fragte sie sich und knöpfte den obersten Knopf zu. »Möchtest du frühstücken?«, fragte sie ihre Mutter.
»Im Augenblick nur eine Tasse Kaffee«, sagte ihre Mutter und bediente sich selbst. »Wer hat denn schon so früh angerufen?«
»Ich würde eher fragen, wer nicht.«
Ihre Mutter zuckte die Achseln. »Ich nehme an, es gibt nichts Neues.«
Cindy schob ihr die Zeitungen hin. »Oh je«, sagte sie und ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken.
»In einer halben Stunde kommt Elizabeth Kapiza hierher, um mich zu interviewen.«
»Hältst du das für klug?«
»Ich habe vorher die Polizei angerufen«, erklärte Cindy ihrer Mutter. »Sie haben gesagt, das wäre kein Problem, solange ich nicht über die Ermittlung spreche. Sie haben gesagt, es könnte sogar helfen.«
Ihre Mutter nippte vorsichtig an ihrem Kaffee und strich mit zitternden Fingern über das grobkörnige Gesicht ihrer Enkeltochter. »Wohin will Heather denn schon so früh am Morgen?«
Cindy sah ihre Mutter fragend an. Was meinte sie?
»Wohin fährt Heather?«, fragte Norma Appleton erneut.
»Ich verstehe nicht, was du sagen willst.«
Nun war es an ihrer Mutter, verwirrt auszusehen. »Als ich aufgestanden bin, hat sie gepackt.«
»Gepackt? Wovon redest du?« Als Cindy in den Flur rannte, tauchte Heather gerade am oberen Treppenabsatz auf, in der Hand eine Reisetasche. »Was machst du?«
»Ich dachte, ich ziehe für ein paar Tage zu Dad«, sagte Heather, kam langsam die Treppe hinunter und ließ ihre schwarze Ledertasche auf den Boden fallen. »Hallo, Grandma.« Sie winkte ihrer in der Küchentür stehenden Großmutter zu.
»Hallo, mein Schatz.«
»Warum tust du das?«, fragte Cindy.
»Was ist denn los?« Norma Appletons Blick zuckte zwischen ihrer Tochter und ihrer Enkelin hin und her.
»Hier herrscht zurzeit eine ziemlich angespannte Stimmung. Ich dachte, Mom und ich könnten ein bisschen Abstand brauchen«, erklärte Heather. »Und es ist auch schon eine Weile her, dass ich mal so richtig Zeit mit Dad verbracht habe. Es ist bloß für ein paar Tage«, sagte sie noch einmal.
»Heather, bitte, wenn es um gestern Nacht geht …«
»Was ist denn gestern Nacht passiert?«, fragte ihre Mutter.
»Ich habe Dad schon angerufen«, sagte Heather. »Er holt mich in ein paar Minuten ab.«
»Du weißt doch, wie Leid es mir tut. Du weißt, dass ich dich nicht ohrfeigen wollte.«
»Du hast sie geschlagen?«, fragte ihre Mutter.
»Darum geht es nicht«, sagte Heather.
»Und warum gehst du dann?«
Heather zögerte mit Tränen in den Augen. »Ich glaube einfach, es ist besser für alle, wenn wir eine kleine Pause einlegen.«
Cindy schüttelte den Kopf. »Für mich nicht.«
Heather zögerte, ihr Körper schwankte in Richtung ihrer Mutter. »Ich habe Dad schon angerufen.«
»Dann rufst du eben noch mal an.«
Es klingelte an der Tür.
»Bitte, Liebes«, sprach Cindy weiter und folgte Heather zur Haustür. »Sag ihm, dass du es dir anders überlegt hast. Er wird das verstehen.«
Heather atmete tief ein und öffnete die Tür.
»Ich nehme an, ihr habt die Zeitungen schon gesehen?«,
fragte Leigh, deren Frisur aus einer einzigen Kampfzone widerspenstiger Locken bestand, und stellte ein kleines Köfferchen vor Heathers Füßen ab.
»Was ist das?« Cindy musterte den ramponierten braunen Lederkoffer argwöhnisch.
»Ich habe eine Stunde lang versucht, dich anzurufen. Entweder es war besetzt oder niemand ist drangegangen. Schließlich hatte ich die Nase voll und habe Warren erklärt, dass es mir jetzt reicht. Ich ertrage es einfach nicht, nicht zu wissen, was los ist. Er wird eine Weile ohne mich zurechtkommen müssen. Ich ziehe bei euch ein, bis wir wissen, was los ist.«
»Nein«, sagte Cindy hastig und fügte noch hinzu: »Das ist wirklich nicht nötig.«
»Heather und Duncan können unten schlafen. Sie haben bestimmt nichts dagegen. Mein Rücken ist für Schlafsofas zu empfindlich.«
»Ich ziehe sowieso für ein paar Tage zu meinem Vater.«
»Nun, dann passt doch alles perfekt, oder?«, sagte Leigh.
»Nein«, protestierte Cindy erneut, als vor dem Haus ein Auto hupte.
»Das wird Dad sein.« Heather sah aus der Tür, als der dunkelgrüne Jaguar vorfuhr.
»Bitte, Heather«, flehte Cindy ein letztes Mal.
»Mach dir keine Sorgen, Mom. Alles wird gut. Ich rufe dich nachher an.« Heather streifte mit den Lippen kurz über die Wange ihrer Mutter, bevor sie die Treppe hinunterrannte, ihre Reisetasche auf den
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