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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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war, hörte die Krankenschwester, wie der dicke Kriminalbeamte zu seinem Kollegen sagte: »Wir müssen diesen Fall zurückstellen und sofort in den Dalir-Bezirk fahren. Da ist jemand mit einer Schrotflinte umgebracht worden.«

12:40
    B irkir saß wie gewöhnlich am Steuer und fuhr schnell, aber sicher. »Hier links abbiegen«, sagte Gunnar und fasste mit der rechten Hand nach dem Haltegriff über der Tür, während er mit der linken das Handy ans Ohr presste. Sie näherten sich der Straßengabelung bei Dalsmynni im Borgarfjörður. Ein gelbes Straßenschild markierte die Landstraße Nr. 60, die nach links abzweigte. Während Birkir fuhr, hing Gunnar praktisch die ganze Zeit am Telefon oder mampfte getrockneten Fisch, den er beim Tankstopp in Borgarnes gekauft hatte. Zwischendurch glaubte er allerdings ständig, Birkir gute Ratschläge beim Fahren geben zu müssen.
    »Ich weiß«, entgegnete Birkir, trat voll auf die Bremse und nahm die scharfe Linkskurve mit quietschenden Reifen.
    »Ich bin durchaus imstande, den Weg nach Búðardalur zu finden«, fügte er hinzu, nachdem er abgebogen war. Dann gab er wieder Gas, und das Auto schoss die Steigung bei Dalsmynni hoch. Die Verkehrsbedingungen waren gut, es war hell und trocken, nur ein wenig kalt. Es war kaum Verkehr auf der Straße, und Birkir hatte die ganze Zeit ein gutes Tempo halten können. Der Wagen war nicht als Polizeifahrzeug gekennzeichnet, aber sie hatten ein Blaulicht auf dem Dach angebracht, bevor sie abfuhren. Birkir war zwar mit seinen Gedanken bei der bevorstehenden Aufgabe, aber insgeheim hatte er auch Spaß an dieser Fahrt, denn er bekam nicht oft die Gelegenheit, so zügig eine längere Strecke fahren zu können.
    Gunnar steckte das Handy weg und kontrollierte zum fünften Mal seinen Sicherheitsgurt. Dann teilte er den Rest des Fischs in zwei Happen.
    »Möchtest du auch?«, fragte er.
    »Nein, danke«, sagte Birkir. Gunnar steckte sich daraufhin beide Bissen in den Mund. Die beiden Kollegen hatten weniggemeinsam, was sich auch an ihren Essgewohnheiten zeigte. Gunnar hatte dauernd Appetit und kaute ständig auf etwas herum, während Birkir dreimal am Tag eine Mahlzeit zu sich nahm und mehr nicht.
    Sie überquerten den Pass Brattabrekka. Jenseits des Passes in Miðdalir tauchten zur Rechten mehrere kleinere Bauernhöfe auf, während sich zur Linken nur ein klarer Fluss befand, der wenig Wasser führte. Dahinter ragte ein Berg auf. Etwas später jedoch weitete sich das Tal zu beiden Seiten.
    Unterwegs hatte Gunnar am Telefon die Dienstanweisungen entgegengenommen und versucht, nähere Einzelheiten über die Tat und das, was sie am Tatort erwartete, in Erfahrung zu bringen. Viel ergab sich dadurch nicht, eigentlich nicht mehr als der Name des Toten, den hatte der Bezirksamtmann in Búðardalur durchgegeben, als er Verstärkung aus Reykjavík anforderte. Am Tatort wurde die Ankunft der beiden erwartet, um Weiteres herauszufinden. Die Leute vom Erkennungsdienst waren schon vor ihnen losgefahren und wahrscheinlich schon bei der Arbeit. Die Kollegen in Reykjavík, wo der Tote seinen Wohnsitz gehabt hatte, waren ebenfalls im Einsatz. Ihre Aufgabe bestand darin, die Angehörigen über den Tod des Mannes zu informieren und Auskünfte über seine Familienverhältnisse, den Arbeitsplatz und dergleichen einzuholen. Hauptkommissar Magnús Magnússon leitete die Ermittlung vom Kommissariat in Reykjavík aus und hielt sich an das übliche Procedere in solchen Fällen.
    Kurz vor zwei erreichten sie Búðardalur, und Gunnar rief im Büro des Bezirksamtmanns an. Dort erhielt er eine Wegbeschreibung zum Tatort, und er wiederholte die einzelnen Angaben jeweils für Birkir. Der Tatort lag in der Nähe eines abgeschiedenen Bauernhofs namens Litla-Fell. Kurz darauf mussten sie von der Hauptstraße abbiegen, und die nächsten Kilometer führten über eine schlechte, unbefestigte Straße, sodass sie das Tempo drosseln mussten.
    Als sie einen Hügel umfahren hatten, erblickten sie den Hof, der etwa einen halben Kilometer weiter im Inneren des Tals lag. Das Wohnhaus stand auf einer wie dafür geschaffenen Geländestufe im Hang, die mit gleichmäßiger Schräge zum Fuß des Berges abfiel und mit Birkengebüsch bewachsen war. Unterhalb des Hangs lagen die Stallungen, ziemlich heruntergekommene Gebäude mit Wellblechdächern und Wänden, die aus Steinen und Torf aufgeschichtet waren. Ein großer, dicht bewachsener Misthaufen befand sich vor dem einen der Gebäude, und vor dem

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