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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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anderen ein kleiner, aus morschen Planken zurechtgezimmerter Pferch. Drei Lämmer blökten darin und streckten ihre Mäuler durch die Einzäunung in Richtung eines Heuballens, der an einer Schuppenwand lag.
    Das Wohnhaus auf dem Bergabsatz oberhalb der Stallungen war eingeschossig mit einem hohen, ausgebauten Spitzdach. Es war zum Schutz gegen die Witterung auch an den Seiten mit Wellblech bedeckt und hatte irgendwann einmal einen grün-wei- ßen Anstrich gehabt. Neben dem Haus stand ein mit Teerpappe verkleideter Holzschuppen. Zwei alte Trecker und verrostete Maschinen für die Heuernte standen auf dem Hofplatz herum.
    Birkir brachte das Auto zum Stehen und betrachtete nachdenklich den Hof. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass die Zeit hier seit ein paar Jahrzehnten stillgestanden hatte, anstatt fortzuschreiten.
    »Tal der Zeit … Haus des Schweigens«, dachte Birkir laut. Er machte sich keine Gedanken darüber, ob Gunnar das verstand. Sein Kollege war an solche seltsamen Einwürfe gewöhnt und wusste, dass Birkir keine Antwort erwartete. Manchmal handelte es sich um Zitatfetzen aus Gedichten von irgendwelchen namhaften Dichtern, die Birkir unvermittelt von sich gab, manchmal eigene abstrakte Gedanken, so wie sie ihm gerade in den Sinn kamen. Zu Papier wurden sie nie gebracht.
    »Ich glaube, der Tatort ist noch ein Stück weiter taleinwärts«,sagte Gunnar und deutete auf einen Feldweg, der von der Hofauffahrt abzweigte. Birkir fuhr weiter. Vier Pferde, die am Wegesrand grasten, schauten hoch und beäugten sie eine Weile, um dann wieder träge weiterzugrasen. Offenbar waren sie an menschlichen Umgang gewöhnt. Nach ein paar hundert Metern erreichten die Kriminalbeamten ein leeres Auto, einen Nissan Patrol Jeep, der am Rand des Wegs auf der Wiese abgestellt worden war. Sie stoppten kurz und nahmen die Szenerie in Augenschein.
    Ein Stück weiter parkten in der Nähe von alten, nicht kultivierbaren Feuchtwiesen noch zwei Autos, eines davon ein Streifenwagen, das andere der Transporter des Erkennungsdienstes. Birkir sah die Fahrspuren, die dorthin führten. Zwischen den Fahrrinnen wuchs hohes Gras, und sie hörten, wie es unten am Chassis entlangstrich. Schließlich erreichten sie die flache, kahle Erhebung, wo die beiden anderen Fahrzeuge standen.
    Zwei Männer stiegen aus dem Streifenwagen und kamen auf sie zu. Der eine war ein bärtiger Polizist in Uniform und der andere ein schlanker Mann über sechzig, der ihm ein paar Schritte vorausging.
    »Du sprichst doch hoffentlich Isländisch, oder was?«, fragte er Birkir, nachdem er den Kriminalbeamten ausgiebig taxiert hatte.
    »Ja, ich spreche Isländisch«, entgegnete Birkir und fügte hinzu: »Ich habe zwar einige Probleme mit dem Genitiv in der zweiten und dritten Person Plural, aber ansonsten spreche ich Isländisch ziemlich korrekt.«
    Der Mann sah Birkir etwas argwöhnisch an und schien nicht zu wissen, wie diese Antwort zu verstehen war. Nachdem er einen Blick auf die Dienstmarken von Birkir und Gunnar geworfen hatte, stellte er sich vor: »Mein Name ist Hákon Einarsson, und ich bin Amtmann dieses Bezirks.«
    Der Polizist, der hinter dem Bezirksamtmann stand, legte knapp die Hand an die Mütze und sagte laut: »Guten Tag.«
    »Vielen Dank, dass ihr uns in der Ermittlung unterstützt«, fuhr der Bezirksamtmann fort, »eure Kollegen haben bereits begonnen.« Er deutete auf die beiden weißgekleideten Leute vom Erkennungsdienst, die sich in etwa hundert Metern Entfernung über etwas beugten, was von weitem wie ein Buckel in der Landschaft aussah.«
    »Was ist hier passiert?«, fragte Gunnar.
    Der Bezirksamtmann antwortete: »Es handelt sich um einen Gänsejäger, der erschossen worden ist. Der Mann war sofort tot.«
    »Ein Fehlschuss?« Gunnar führte weiterhin das Wort.
    »Nein, auf gar keinen Fall. Auf diesen Mann wurden mindestens zwei Schüsse abgegeben, vielleicht sogar mehr.«
    »Wie war noch sein Name?«
    Der Bezirksamtmann antwortete: »Er hieß Ólafur Jónsson, Rechtsanwalt, wohnhaft in Reykjavík.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Guðjón, der Pächter hier in Litla-Fell, hat ihn heute Morgen so gefunden.«
    »Wisst ihr außerdem noch etwas?«
    »Außerdem?« Der Amtmann überlegte und senkte unruhig den Blick. »Ja, da ist etwas, glaube ich …«, begann er und zögerte dann. Es fiel ihm offensichtlich schwer, seine Gedanken in Worte zu fassen. Dann aber straffte er sich und sagte entschlossen: »Am besten sage ich euch gleich, dass der Verstorbene der

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