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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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rechtmäßige Besitzer dieses Hofs ist. Er hat ihn vor zwei Jahren auf einer Zwangsversteigerung erworben. Gemäß einer mündlichen Vereinbarung hat der frühere Besitzer noch auf dem Hof gewirtschaftet, aber Ólafur hat ihm den Vertrag in diesem Sommer aufgekündigt. Der alte Guðjón weigert sich jedoch hartnäckig, den Hof zu verlassen, und lebt immer noch mit seinen Tieren hier.«
    Der Bezirksamtmann wies mit dem Kopf auf einige Schafe,die hinter einem Zaun lagen und wiederkäuten. »Er besitzt knapp hundert Schafe«, fügte er hinzu und ließ seine Blicke über das Tal schweifen, als würde er sie zählen wollen. Schließlich fuhr er fort: »Ólafurs Rechtsanwalt ist bei meiner Behörde vorstellig geworden und hat verlangt, dass eine Zwangsräumung vorgenommen wird. Die Angelegenheit geht ihren juristischen Gang. Es war, wie gesagt, dieser ehemalige Besitzer und derzeitige Nutznießer des Landes, der heute Morgen die Leiche hier gefunden hat.«
    »Zwischen ihnen herrschte also Feindschaft, oder wie?«, fragte Gunnar.
    »Ja, es lässt sich nicht anders sagen. Von Freundschaft konnte da keine Rede sein.«
    »Hältst du es für möglich, dass dieser Pächter die Tat begangen hat?«, fragte Gunnar weiter.
    Der Bezirksamtmann wurde wieder unruhig. »Ich hoffe nicht«, sagte er, »aber der Kerl ist schon ein Eigenbrötler und ein aufbrausender Mensch. In seinen jüngeren Jahren wurde er bei allen Festen immer wieder in Schlägereien verwickelt, wurde mir gesagt. Mir war den ganzen Herbst nicht wohl bei dem Gedanken daran, die Zwangsräumung hier zu vollstrecken.«
    Birkir warf ein: »Du hast gesagt, dass Ólafurs Rechtsanwalt in seinem Namen vorstellig geworden ist. Warum hat sich Ólafur denn nicht selber mit der Angelegenheit befasst?«
    Der Bezirksamtmann antwortete: »Soweit ich verstanden habe, hatte er genug zu tun und beschäftigte sich mit anderen und größeren Aufgaben. Er war spezialisiert auf internationale Geschäftsbeziehungen.«
    »Hast du heute bereits mit dem Pächter gesprochen?«, fragte Gunnar.
    »Ja, aber dabei ist nichts Aufschlussreiches herausgekommen«, entgegnete der Bezirksamtmann. »Er rief heute Morgenbei uns an, um zu melden, was passiert war. Außerdem hat er uns hier in Empfang genommen, als wir kamen, und mir die Stelle gezeigt. Ich zog es vor, ein Verhör zurückzustellen, da ja erfahrenere Kriminalbeamte auf dem Weg zu uns waren. Mit derartigen Fällen sind wir hier im Bezirk nicht vertraut.«
    Gunnar wandte sich Birkir zu und wies mit dem Kopf zum Tatort. »Sehen wir uns das an. Mit diesem Pächter befassen wir uns später.«
    Sie stapften an einem Graben entlang zu den Mitarbeitern des Erkennungsdienstes. Zuerst erblickten sie einen toten Hund, aber die Leiche des Rechtsanwalts konnten sie erst richtig sehen, als sie direkt daneben standen. Anorak und Hose mit ihren Tarnfarben hoben sich kaum von den Farben in der Landschaft ab.
    Gunnar sagte: »Hast du gewusst, dass solche Tarnfarben für Farbenblinde keine Bedeutung haben? Die Farben verfließen bei ihnen nicht wie bei Menschen mit normaler Sicht.«
    »Tatsächlich?«, fragte Birkir.
    »Farbenblinde Soldaten sehen ihre Gegner klar und deutlich, egal ob sie solche Camouflage-Kleidung anhaben oder nicht«, fuhr Gunnar fort. »Deswegen werden sie oft in Kampftruppen eingesetzt.«
    »Willst du damit sagen, dass der Mörder farbenblind ist?«, fragte Birkir.
    »Nein, nicht unbedingt«, entgegnete Gunnar, »mir fiel das bloß so ein.«
    »Ich verstehe«, sagte Birkir und nahm den Toten in Augenschein.
    Die große Blutlache unter dem Toten hatte eine dunkelbraune Färbung angenommen und sich teilweise mit der Erde vermischt. Der Leiche fehlte das linke Bein, aber es lag nicht weit entfernt. Durch einen Schuss aus allernächster Nähe war der Kopf übel zugerichtet. Der Geruch von feuchter Erde, Blut und rohem Fleisch lag in der Luft.
    Birkir war erstaunt darüber, wie wenig ihn diese Szene in diesem Augenblick berührte, obwohl so etwas für ihn keineswegs ein normaler Anblick war. Die Leiche wirkte irgendwie so unpersönlich. Er wusste aber, dass sich das in den nächsten Tagen ändern würde, denn nunmehr galt es, alles über diesen Mann in Erfahrung zu bringen, über seine Persönlichkeit und sein Leben. Vielleicht würde es sie zu dem Mörder führen, vielleicht aber auch nicht.
    Einer der beiden Mitarbeiter vom Erkennungsdienst war eine Frau, die sie gut kannten. Anna Þórðardóttir galt bei einigen als Dickschädel, denn es

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