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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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Besucher waren fast ausschließlich zwischen sechzehn und fünfundzwanzig, darunter einige der schönsten jungen Frauen, die Jude je gesehen hatte. Schon jetzt war ihm klar, dass ihn bei diesem Job die reinsten Höllenqualen erwarteten.
    Vor allem den Gedanken an ein Gesicht wurde er nicht mehr los, ein Gesicht, das er kaum kannte.
    Gegen Ende des Tages, nachdem er mindestens eine Stunde unter irgendwelchen Tischen herumgescharrt hatte, brannten Jude die Unterarme. Sein Hals war ganz steif, also stand er auf, um sich zu strecken. Plötzlich bemerkte Jude ein kleines Mädchen, das sich unbeholfen abmühte, eine Flasche Limo und einen Becher Pommes zu balancieren. Hinter ihr fielen einzelne Pommes in den Sand wie Gretels Brotkrumenspur im Wald. Vor ihr stapfte ein älterer Junge dahin, der bestimmt ihr Bruder war; er hatte den gleichen Körperbau und das gleiche strubbelig blonde Haar, ähnlich wie Jude. Jude schätzte den Jungen auf ungefähr zwölf. Er blickte den beiden nach, wie sie Richtung Wasser liefen und nach einem vertrauten Handtuch oder Strandschirm Ausschau hielten.
    Nur ein Junge und seine Schwester.
    Nimm sie an der Hand , drängte Jude den Jungen stumm. Lass sie nicht aus den Augen. Doch der Junge marschierte einfach weiter in der Gewissheit, dass seine Schwester immer da sein würde. In Judes Magen breitete sich die alte Leere aus. Er beobachtete, wie die zwei immer kleiner wurden und schließlich am Horizont verschwanden, verschluckt von Sand und Himmel.
    Keifende Möwen landeten, um sich um die verstreuten Pommes zu streiten, und allmählich löste sich Gretels Spur in nichts auf, bis nur noch die kleinen Fußabdrücke davon zeugten, dass hier gerade ein Mädchen vorbeigekommen war.

9
    In der Schule war Abschlusswoche, deswegen lernte Jude bis spät in die Nacht für die Prüfungen. Trotzdem stand er fast jeden Morgen früh auf, um schnell und lang zu laufen, weil er einen klaren Kopf bekommen wollte. Manchmal stellte sich Jude vor, ein alter Navajoindianer auf den Hochebenen zu sein, der rannte, bis er irgendwo hinter der Anhöhe den nächsten Stamm entdeckte. Jude ging es nie um Zahlen. Nicht um die zurückgelegte Strecke, nicht um die benötigte Zeit. Er lief aus Liebe zum Laufen, wie ein Fohlen auf der Wiese. Und die ganze Zeit hatte er nur Becka im Kopf.
    Er freute sich schon auf die Arbeit am kommenden Wochenende. Jessup hatte angekündigt, Jude erst nach dem Ende der Schule in einer Woche als Vollzeitangestellten einzuteilen. Doch am Samstag wurde der bedeckte Himmel Stunde für Stunde dunkler, bis klar war, dass den Sonnenanbetern ein enttäuschender Tag bevorstand. Der Imbiss war überbesetzt, es gab kaum Kunden und nichts zu tun. Jessup stapfte herum und klopfte den Leuten auf die Schulter, um sie nach Hause zu schicken.
    Becka war nicht gerade glücklich darüber. Sie hatte nur drei Stunden gearbeitet. »Na ja, ich bin dann mal weg«, sagte sie zu Jude. Ihre Augen schienen zu ihm zu sprechen und hingen einen Takt länger als nötig an seinen.
    Er spürte, dass sie auf etwas wartete. »Hey, ähm. Könntest du mich vielleicht mitnehmen? Ich meine, wär das okay für dich?«
    Wie der Wind in den Bäumen flackerte Freude über Beckas Gesicht. Lächelnd sagte sie ja.
    »Das Problem ist, ich bin noch nicht fertig.« Jude wollte nicht zu aufgeregt klingen.
    »Frag ihn doch einfach«, schlug Becka vor. »Vielleicht lässt er dich gehen.«
    »Aber ich brauche das Geld«, konterte Jude.
    Unverbindlich zuckte Becka die Schultern. »Musst du wissen. Ich fahr auf jeden Fall in fünf Minuten.«
    Nach Judes Bitte druckste Jessup herum. Er erklärte, dass er zwar fast alle Kassiererinnen heimschickte, aber bis zum Ende der Öffnungszeit noch ein paar gute Arbeiter brauchte. Jude redete auf ihn ein, um ihn breitzuschlagen, und schließlich forderte ihn Denzel auf, abzuhauen, bevor er es sich anders überlegte.
    Als er auf einmal außerhalb der Arbeit mit Becka allein war, wurde Jude ganz schwindlig, als würde er auf weichen Flauschwolken gehen. Becka räumte einen Stapel Zeug auf den Rücksitz – ein einziges Durcheinander aus Decken, Taschen, Büchern, CD s, Zeitschriften und anderem Kram –, damit Jude vorn Platz hatte.
    »Was soll ich sagen? Ich bin eben eine Schlamperin.« Beckas Tonfall war nicht unbedingt entschuldigend.
    Das Auto war ein alter, schon etwas ramponierter Toyota. »Nette Karre.« Jude stieß einen Pfiff aus.
    »Du kannst gern zu Fuß gehen, wenn du willst«, erwiderte Becka. Sie

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