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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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Was-ist-los-Gesicht, als wäre das Ganze nicht seine Idee gewesen.
    Jessup blieb im Sitzbereich vor der Halle stehen. »Warst du schon mal in Disneyland?«
    »Einmal, ist schon lange her.« Dieser Ausflug hatte sich in Judes Gedächtnis gebrannt. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er ungeduldig wartete, während seine kleine Schwester Lil in der Schlange stand, um die hübschen Prinzessinnen zu treffen. Er sah sie vor sich, wie sie mit ihrem goldenen Haar vor Aufregung auf den Zehen wippte und ein Autogrammheft an die Brust drückte. Das war ihr letzter gemeinsamer Sommer gewesen.
    Blinzelnd blickte Jude seinen Chef an. »Ich war noch zu jung. Kann mich fast an nichts erinnern.«
    »Die in Disney hassen Kaugummi, hast du das ge wusst?«
    »Nein, war mir nicht klar, dass die was gegen Kaugummi haben.« Das Ganze steuerte in eine Richtung, die Jude nicht gefiel.
    »Hast du gewusst, dass man in dem ganzen Park keinen einzigen Kaugummi kaufen kann? Die bieten so was einfach nicht an«, erklärte Jessup. »Sie behandeln Kaugummi wie Crack.«
    Jude beäugte den Schaber in Jessups Hand. Der Eimer. Dazu die gelben Plastiktische im Essbereich. Das waren locker fünfzehn Tische.
    »Den Grund kennst du sicher, oder?«
    »Ich kann’s mir vorstellen«, antwortete Jude.
    »Bin gespannt.«
    Jude seufzte. Es war fast witzig, über die Disney-Richtlinien zu Kaugummi zu reden. »Die Kinder kleben den Kaugummi überallhin.«
    Erfreut klatschte Jessup einmal in die Hände. »Sehr richtig, Mr. Fox! Der Kaugummi landet überall – auf den Gehsteigen, unter Stühlen und Tischen, an den Fahrgeschäften. Kein Ort ist davor sicher. So machen es die Leute eben mit Kaugummi. Es ist ihnen egal, sie kleben ihn irgendwohin. Also haben sich die Buchhalter von Disney hingesetzt und eine Kostenanalyse gemacht. Weißt du, was das ist?«
    »Sie, äh …« Jude ging das Spiel allmählich auf die Nerven. Er wollte es möglichst schnell hinter sich bringen. »Nein, was heißt das?«
    »Sie haben ausgerechnet, wie viel Geld sie verdienen, wenn sie Kaugummi verkaufen. Dann haben sie ausgerechnet, wie viel es kostet, wenn sie hinterher saubermachen.« Jessup ließ sich Zeit mit seiner Erklärung. »Dabei hat sich rausgestellt, dass es mehr kostet, als sie damit verdienen. Der ganze Aufwand hat sich nicht rentiert. Die Lösung: totales Kaugummiverbot im Park!«
    »Ziemlich schlaue Ratte, diese Micky Maus«, stellte Jude fest.
    Jessup reichte ihm den Schaber und deutete auf die Tische. »Leider sind wir hier nicht in Disneyland. Du arbeitest in West End Two – zumindest heute noch. Dann schab mal schön.«
    Offen gestanden war es gar nicht so schlimm. Jude war draußen an der frischen Luft, auch wenn er die meiste Zeit unter einem Tisch auf dem Rücken lag oder sich zu einem Knoten verdrehen musste wie ein Yogameister. Nach einer Weile taten ihm die Arme weh, und die Finger wurden steif; alle paar Minuten wechselte er die Hand. Trotzdem machte es Jude nichts aus, allein mit seinen Gedanken zu sein. Unter dem Tisch war er wie ein Mechaniker unter einem Auto: für die meisten Menschen um ihn herum unsichtbar. Unbeobachtet. Außerdem hatte er so einen atemberaubenden Blick auf die vorbeikommenden Mädchen.
    Jude war nicht stolz darauf, dass er sich schon an seinem zweiten Arbeitstag bei Jessup unbeliebt gemacht hatte. Kein guter Start. Er hatte es nicht erwarten können; nein, er hatte unbedingt auf Roberto hören und rausgehen müssen, um dieses Mädchen kennenzulernen. Becka Bliss McCrystal. Und sein einziger Gedanke war: Es hat sich total gelohnt. Jude malte sich ihr volles schwarzes Haar aus, ihre dunklen Brauen, das unbeschwerte Lächeln. Wie sie mit ganz geradem Rücken dasaß, entspannt, aber elegant. Ob sie eine Tänzerin war? Er fragte sich, wie er sie Corey beschreiben sollte, der bestimmt alles über sie hören wollte. Aber genauso gut hätte er versuchen können zu beschreiben, wie der Wind vom Meer hereinweht oder wie die Luft riecht, wenn es am Morgen geregnet hat.
    West End Two eignete sich nur für Leute mit Autos. Es gab keine Möglichkeit, ohne fahrbaren Untersatz hinzukommen. In diesen Teil des Parks ging kein Bus, und der zentrale Bohlenweg erstreckte sich nicht so weit nach Westen. Als der Strand, der der City am nächsten lag, zog West End Two ein multikulturelles, städtisches und nicht ganz so junges Publikum an. Und weil der Parkplatz so weit vom Wassersaum entfernt war, kamen auch nicht viele Familien mit kleinen Kindern. Die

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