Bevor ich sterbe
nicht in Bestform?«
»Wären Sie’s?«
Dad wirft mir einen mahnenden Blick zu, den ich ignoriere. Mir doch egal.
»Atembeschwerden oder Übelkeit?«
»Ich bin auf Anti-Emetika. Haben Sie überhaupt meine Krankenakte gelesen?«
»Sie müssen entschuldigen«, sagt Dad. »In letzter Zeit hatte sie etwas Schmerzen in den Beinen, weiter nichts. Die Pflegerin, die vorige Woche da war, hat gesagt, dass sie sich gut macht. Sian hieß sie, glaube ich – sie weiß über die Behandlung Bescheid.«
Ich schnaube. Er versucht, das zwanglos rüberzubringen, aber mir macht er nichts vor. Als Sian das letzte Mal hier war, hat er ihr Abendessen angeboten und sich zum Affen gemacht.
»Das Team ist bestrebt, Kontinuität zu wahren«, sagt Philippa, »aber das lässt sich nicht immer machen.« Sie wendet sich wieder mir zu, lässt Dad und sein trauriges Liebesleben hinter sich.
»Tessa, du hast da so ein paar blaue Flecke auf den Armen.«
»Ich bin auf einen Baum geklettert.«
»Das deutet auf eine niedrige Thrombozytenanzahl hin. Hast du diese Woche irgendetwas Größeres geplant?«
»Ich brauch keine Transfusion!«
»Wir machen trotzdem ein Blutbild, nur zur Sicherheit.«
Dad bietet ihr Kaffee an, aber sie lehnt ab. Sian hätte Ja gesagt.
»Mein Dad ist überfordert«, erzähle ich Philippa, als er schmollend in die Küche abzieht. »Er macht alles falsch.«
Sie hilft mir aus dem T-Shirt. »Und wie fühlst du dich dabei?«
»Es bringt mich zum Lachen.«
Sie holt Gaze und antiseptisches Spray aus ihrer Medikamententasche, streift sich sterile Handschuhe über und hält meinen Arm so hoch, dass sie mich um den Port rum steril machen kann. Beide warten wir, bis es trocknet.
»Haben Sie einen Freund?«, frage ich sie.
»Ich hab einen Mann.«
»Wie heißt er?«
»Andy.«
Offenbar ist es ihr unangenehm, seinen Namen laut zu sagen. Ich lerne andauernd neue Leute kennen, aber nie stellen sie sich ordentlich vor. Aber über mich wollen sie gerne alles erfahren.
»Glauben Sie an Gott?«, frage ich sie.
Stirnrunzelnd lehnt sie sich in ihrem Sessel zurück. »Was für eine Frage!«
»Und?«
»Nun ja, ich würde wohl gerne.«
»Und wie ist es mit dem Himmel? Glauben Sie daran?«
Sie reißt die Verpackung einer sterilen Nadel auf. »Ich finde, Himmel, das hört sich nett an.«
»Deshalb muss es ihn noch lange nicht geben.«
Sie sieht mich streng an. »Na, hoffen wir das Beste.«
»Ich glaube, es ist eine einzige große Lüge. Wenn man tot ist, ist man tot.«
Jetzt werde ich ihr langsam unheimlich: Sie wirkt nervös. »Und was wird aus allem Seelischen und der ganzen Energie?«
»Es löst sich in Nichts auf.«
»Weißt du«, sagt sie, »es gibt Selbsthilfegruppen, wo du andere junge Leute kennenlernen kannst, die in derselben Lage sind wie du.«
»Niemand ist in derselben Lage wie ich.«
»Ist das deine Empfindung?«
»Nein, eine Tatsache.«
Ich hebe den Arm an, damit sie aus dem Port Blut zapfen kann. Ich bin ein halber Roboter, so viel Plastik und Metall haben sie mir unter der Haut eingepflanzt. Sie zieht Blut auf eine Spritze und entsorgt es. Was für eine Verschwendung, die erste, mit Kochsalzlösung versetzte Spritze. Im Lauf der Jahre müssen Pflegerinnen einen ganzen Körpervorrat meines Blutes weggeworfen haben. Sie zapft mir eine zweite Spritze ab, leert sie in
ein Röhrchen und kritzelt meinen Namen mit blauer Tinte auf das Etikett.
»Das hätten wir«, sagt sie. »Ich rufe in etwa einer Stunde an und teile euch das Ergebnis mit. Sonst noch was, bevor ich gehe?«
»Nein.«
»Hast du genug Medikamente? Soll ich bei deinem Hausarzt vorbeischauen und irgendwelche Rezepte einlösen?«
»Ich brauche nichts.«
Sie stemmt sich vom Sessel hoch und schaut ernst auf mich herab.
»Das Gemeindeteam bietet eine Menge Hilfestellungen an, von denen du vielleicht noch gar nichts weißt, Tessa. Zum Beispiel können wir dir helfen, zur Schule zurückzugehen, auch wenn es nicht ganztags ist, oder auch nur ein paar Wochen. Vielleicht lohnt es sich ja, dir Gedanken zu machen, wie du deine Situation normalisieren kannst.«
Ich lache ihr ins Gesicht. »Würden Sie an meiner Stelle zur Schule gehen?«
»Den ganzen Tag hier so allein, da würde ich mich einsam fühlen.«
»Ich bin nicht allein.«
»Nein«, sagt sie. »Aber es ist nicht leicht für deinen Vater.«
Sie ist eine blöde Kuh. So was sagt man nicht. Ich starre sie an, was meine Botschaft auch ganz gut rüberbringt.
»Auf Wiedersehen, Tessa. Ich
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