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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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sagt er.
    Ich nicke, kann kaum sprechen, habe meinen Atem irgendwo unterwegs verloren. Meine Knie zittern, und es strengt mich maßlos an, ein Bein über das Motorrad zu schwingen und aufzustehen. Die Erde kommt mir sehr ruhig vor. Der eine Lasterfahrer zwinkert mir aus dem Fenster seines Führerhäuschens zu. In einer Hand hält er eine dampfende Tasse Tee. Drüben an der Würstchenbude reicht ein Mädchen mit Pferdeschwanz einem Mann mit einem Hund eine Tüte Chips über die Theke. Ich bin anders als sie alle. So als wären wir hierher geflogen, und alle anderen wären absolut durchschnittlich.
    Adam sagt: »Das hier meine ich nicht. Wir holen uns was zu essen, dann zeige ich’s dir.«
    Er scheint zu verstehen, dass ich noch nicht richtig sprechen kann, und wartet nicht auf eine Antwort. Langsam gehe ich hinter ihm her, höre mir an, wie er zwei Hotdogs mit Zwiebelringen bestellt. Woher weiß er, dass das exakt meine Vorstellung von einem perfekten Mittagessen ist?
    Wir essen im Stehen, teilen uns eine Cola. Ich finde es erstaunlich, dass ich hier bin, dass sich mir die Welt vom Sozius eines Bikes aufgetan hat, wo der Himmel aussah wie Seide, wo ich den Nachmittag hereinziehen sah, nicht weiß, nicht grau, nicht ganz silbern, sondern in einer Mischung aller drei Farbtöne.
Als ich schließlich mein Einwickelpapier in den Mülleimer geschmissen und die Cola ausgetrunken habe, fragt Adam: »Kann’s losgehen?«
    Und ich folge ihm durch ein Törchen hinter der Würstchenbude und durch einen Graben in ein schütteres Wäldchen. Ein unbefestigter Weg schlängelt sich durch und an der anderen Seite raus, wo sich der freie Raum öffnet. Vorher war mir nicht klar, wie hoch oben wir sind. Es ist irre, da unten liegt die ganze Stadt, als hätte sie jemand zu unseren Füßen ausgebreitet, und wir hier oben schauen auf all das runter.
    »Wow!«, rufe ich aus. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass es hier so eine Aussicht gibt.«
    »Jap.«
    Wir setzen uns zusammen auf eine Bank, ohne dass sich unsere Knie richtig berühren. Der Boden ist hart unter meinen Füßen. Die kalte Luft riecht nach Frost, der es noch nicht ganz geschafft hat, nach dem kommenden Winter.
    »Hier fahr ich her, wenn ich von allem wegwill«, sagt er. »Die Pilze hab ich von hier.«
    Er holt seine Tabakdose raus und klappt sie auf, packt Tabak auf ein Papierchen und dreht sich eine. Er hat schmutzige Fingernägel, und mir wird ganz anders bei dem Gedanken, diese Hände könnten mich anfassen.
    »Hier«, sagt er. »Zum Aufwärmen.«
    Er reicht mir die Zigarette, und ich schaue sie an, während er sich noch eine dreht. Sie sieht aus wie ein blasser, schlanker Finger. Er gibt mir Feuer. Lange Zeit sagen wir nichts, pusten nur unseren Rauch auf die Stadt da unten.
    Dann sagt er: »Da unten könnte alles Mögliche passieren, und hier oben würde man einfach nichts davon merken.«
    Ich weiß, was er meint. In allen diesen kleinen Häusern könnte die Hölle los sein, die Träume von allen Leuten zu Bruch gehen. Aber hier oben fühlt es sich friedlich an. Rein.

    »Tut mir leid, das mit meiner Mutter vorhin«, sagt er. »Manchmal ist sie ein bisschen schwierig.«
    »Ist sie krank?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Was ist denn mit ihr?«
    Seufzend fährt er sich mit einer Hand durch die Haare. »Mein Dad ist vor anderthalb Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«
    Er schnipst seine Zigarette über das Gras, und wir sehen beide zu, wie sie orange vor sich hin glüht. Es kommt einem vor wie Minuten, bis sie ausgeht.
    »Möchtest du drüber reden?«
    Er zuckt die Schultern. »Da gibt’s nicht viel zu sagen. Meine Eltern haben sich gestritten, er ist wütend in den Pub abgezogen und hat vergessen zu gucken, als er über die Straße wollte. Zwei Stunden später hat die Polizei bei uns angeklopft.«
    »Scheiße!«
    »Hast du schon mal einen verängstigten Polizisten gesehen?«
    »Nein.«
    »Das ist vielleicht schrecklich. Meine Mum saß auf der Treppe und hielt sich die Ohren zu, und sie standen mit gezogenen Mützen und zitternden Knien im Flur.« Er lacht durch die Nase, ein leiser, unlustiger Laut. »Sie waren nicht viel älter als ich und hatten nicht die leiseste Ahnung, wie sie damit umgehen sollten.«
    »Das ist ja furchtbar!«
    »Es war keine große Hilfe. Sie haben sie zum Identifizieren von Dads Leiche gebracht. Sie wollte ihn sehen, aber sie hätten es nicht zulassen sollen. Er war ziemlich zermatscht.«
    »Bist du mitgegangen?«
    »Ich hab draußen

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