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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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schau nur noch kurz in der Küche vorbei, dann muss ich los.«
    Obwohl sie schon fett genug ist, bietet Dad ihr Früchtebrot und Kaffee an, und sie lehnt nicht ab! Das Einzige, was wir Gästen anbieten sollten, sind Plastikbeutel zum Über-die-Schuhe-Streifen. Unser Tor sollte mit einem riesigen X gekennzeichnet sein.
    Ich klaue eine Fluppe aus Dads Jacke, gehe nach oben und
lehne mich aus Cals Fenster. Ich will die Straße sehen. Durch die Bäume hat man einen Blick auf die Fahrbahn. Ein Auto fährt vorbei. Noch eins. Da kommt ein Fußgänger.
    Ich puste Rauch in die Luft raus. Bei jedem tiefen Zug höre ich ein Knistern in meinen Lungenflügeln. Vielleicht habe ich Tbc. Hoffentlich. Die besten Dichter aller Zeiten hatten Tuberkulose; es ist ein Zeichen von Sensibilität. Krebs ist bloß beschämend.
    Philippa tritt durch die Haustür und bleibt davor stehen. Ich schnipse Asche auf ihre Haare, aber sie merkt es gar nicht, verabschiedet sich nur mit ihrer dröhnenden Stimme und watschelt den Weg hoch.
    Ich sitze auf Cals Bett. Dad wird gleich raufkommen. Während ich warte, greife ich zu einem Stift und schreibe Fallschirme, Cocktails, Steine, Lollis, Eimer, Zebras, Schuppen, Zigaretten, kaltes Leitungswasser auf die Tapete über Cals Bett. Dann rieche ich an meinen Achselhöhlen, an der Haut auf meinem Arm, meinen Fingern. Ich streiche meine Haare vor, zurück, wieder nach vorn, wie einen Teppich.
    Dad braucht eine Ewigkeit. Ich gehe im Zimmer spazieren. Am Spiegel rupfe ich mir ein Haar aus. Es wächst viel dunkler nach, und merkwürdig kraus, wie Schamhaare. Nachdem ich es inspiziert habe, lasse ich es fallen. Mir gefällt, dass ich es mir leisten kann, dem Teppich eins auszugeben.
    An Cals Wand hängt eine Weltkarte. Meere und Wüsten. An seiner Decke ist das Sonnensystem angepinnt. Ich lege mich auf sein Bett, um es gründlich zu betrachten. Dabei fühle ich mich klein.
    Buchstäblich fünf Minuten später schlage ich die Augen auf und gehe nach unten, um nachzusehen, wo Dad so lange bleibt. Er ist schon abgehauen, hat mir einen dämlichen Zettel neben seinem Laptop hinterlassen.
    Ich rufe ihn an. »Wo bist du?«

    »Du hast geschlafen, Tess.«
    »Aber wo bist du?«
    »Ich bin nur kurz einen Kaffee trinken gegangen. Im Park.«
    »Im Park? Warum gehst du da hin? Wir haben Kaffee zu Hause.«
    »Tess! Komm schon, ich brauch einfach etwas Freiraum. Mach den Fernseher an, wenn du einsam bist. Ich komm bald wieder.«
    Eine Frau brät panierte Hähnchenschnitzel. Drei Männer drücken im Wettstreit um fünfzigtausend Pfund auf einen Buzzer. Zwei Schauspieler streiten sich um eine tote Katze. Einer von beiden reißt einen Witz, der mit Ausstopfen zu tun hat. Ich kauere mit krummem Rücken davor. Stumm. Fassungslos, was für ein Schrott im Fernsehen kommt, wie wenig wir alle zu sagen haben.
    Ich schicke Zoey eine SMS. WO BIST DU? Sie simst zurück, sie wäre im College, aber das ist eine Lüge, weil sie freitags keine Kurse hat.
    Ich wünschte, ich hätte Adams Handynummer. Dann würde ich ihm eine SMS schicken: LEBSTE NOCH?
    Er sollte draußen sein und in Dünger, Torf und modernden Pflanzen graben. Ich habe in Dads Reader’s-Digest-Gartenbuch nachgeschlagen, und da heißt es, jetzt sei die ideale Zeit, um das Erdreich aufzubereiten. Außerdem sollte er daran denken, einen Haselstrauch zu pflanzen, denn die sind eine Augenweide für jeden Garten. Ein Lambertshasel würde mir gefallen. Die haben große herzförmige Nüsse.
    Aber er lässt sich seit Tagen nicht mehr da draußen blicken.
    Dabei hat er mir eine Motorradfahrt versprochen.

SECHZEHN
    E r ist hässlicher, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wie wenn mein Gedächtnis ihn verschönert. Keine Ahnung, wie so was passieren kann. Mir fällt ein, wie höhnisch Zoey schnauben würde, wenn sie wüsste, dass ich bei ihm an die Tür klopfe, deshalb wäre es mir am liebsten, sie erfährt nie davon. Sie sagt, von hässlichen Leuten kriegt sie Kopfschmerzen.
    »Du gehst mir aus dem Weg«, sage ich ihm.
    Er schaut kurz überrascht drein, überspielt das aber rasch. »Ich war beschäftigt.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Also liegt es nicht daran, dass du glaubst, ich wäre ansteckend? Die meisten Leute führen sich irgendwann so auf, als ob sie sich meinen Krebs holen könnten oder als ob ich selber dran schuld wäre.«
    Er sieht verschreckt aus. »Nein, nein! Das denke ich nicht.«
    »Gut. Wann machen wir also die Fahrt auf deinem Motorrad?«
    Verlegen tritt er von einem Fuß auf

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