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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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»Ist schon gut. Guck mal, das Taxi ist jetzt sowieso da.«
    »Ich will bei ihr sein.«
    »Ich weiß«, sagt sie ihm. »Es tut mir leid.«
    Er fasst meine Hand an, während ich an ihm vorbei den Weg entlanggehe. »Tess«, sagt er.
    Ich antworte nicht. Ich schaue ihn nicht mal an, weil seine Stimme so klar ist, dass ich es mir anders überlegen könnte, wenn ich hingucke. So kurz vor meinem Ende Liebe zu finden und wieder aufgeben zu müssen – was für ein schlechter Witz. Aber es muss sein. Ihm zuliebe und mir zuliebe. Bevor es anfängt, noch mehr wehzutun als so schon.
    Mum breitet Handtücher über den Rücksitz im Taxi, vergewissert sich, dass wir beide angeschnallt sind und ermuntert dann den Fahrer zu einer äußerst dramatischen Kehrtwende vor unserem Törchen.
    »Genau so«, weist sie ihn an. »Drücken Sie auf die Tube.« Sie hört sich an wie in einem Film.
    Adam schaut uns vom Gartentor nach. Er winkt und wird immer kleiner, während wir wegfahren.

    Mum sagt: »Wie nett das von ihm war.«
    Ich schließe die Augen. Es fühlt sich so an, als ob ich falle, obwohl ich ja sitze.
    Mum stößt mich mit dem Ellbogen an. »Bleib wach.«
    Der Mond hüpft durchs Fenster. Im Scheinwerferlicht: Nebel.
    Wir wollten tanzen gehen. Ich wollte noch mal Alkohol probieren. Mich auf Tische stellen und Jubelgesänge anstimmen. Ich wollte über den Parkzaun klettern, ein Ruderboot klauen und den See umrunden. Ich wollte mit zu Adam gehen und mich in sein Zimmer schleichen und mit ihm schlafen.
    »Adam«, flüstere ich. Aber wie alles andere ertrinkt es in Blut.
     
    Im Krankenhaus holen sie mir einen Rollstuhl und setzen mich rein. Ich bin ein Notfall, sagen sie mir, als sie mich Hals über Kopf aus dem Empfangsbereich befördern. Die üblichen Opfer von Kneipenschlägereien, schlechten Drogen und nächtlichen Ehekrächen hinter uns lassend, rasen wir den Korridor entlang an einen wichtigeren Ort.
    Die Schichten eines Krankenhauses sind mir seltsam vertraut. Das hier ist eine Zweitwelt mit ihren eigenen Gesetzmä ßigkeiten, in der jeder seinen Platz hat. In den Räumen der Notaufnahme werden die jungen Männer mit schnellen Autos und schrottigen Bremsen sein. Die Motorradfahrer, die sich zu weit in eine Kurve gelegt haben.
    In den OP-Sälen die Leute, die mit Luftgewehren rumgemacht haben oder auf dem Heimweg von einem Psychopathen verfolgt wurden. Dann noch die Opfer von Missgeschicken – das Kind, dessen Haare sich in einer Rolltreppe verfangen haben, die Frau, die bei Gewitter einen Bügel-BH trug.
    Und in den Betten im Bauch des Gebäudes liegen alle die Kopfschmerzen, die nicht aufhören wollen. Die Nierenversagen,
Ekzeme, die Muttermale mit unregelmäßigen Rändern, Knoten in der Brust, bellenden Husten. Auf der Marie-Curie-Station im vierten Stock liegen die krebskranken Kinder. Deren Körper schleichend aufgefressen werden.
    Und dann ist da noch die Pathologie, wo die Toten mit Namensschildern an den Füßen in Kühlschubladen lagern.
    Das Zimmer, in das ich komme, ist hell ausgeleuchtet und steril. Darin ein Bett, ein Waschbecken, ein Arzt und eine Krankenschwester.
    »Bestimmt hat sie Durst«, sagt Mum. »Sie hat so viel Blut verloren. Sollte sie nicht etwas zu trinken bekommen?«
    Das tut der Arzt mit einer Handbewegung ab. »Wir müssen ihr die Nase tamponieren.«
    »Tamponieren?«
    Die Schwester bugsiert Mum auf einen Stuhl und setzt sich neben sie. »Der Arzt wird Verbandmullstreifen in ihrer Nase anlegen, um die Blutung zu stillen«, sagt sie. »Sie dürfen gerne bleiben und zusehen.«
    Ich bibbere. Die Schwester steht auf, um mir eine Decke zu holen, die sie mir bis ans Kinn hochzieht. Ich fröstle weiter.
    »Jemand träumt von dir«, sagt Mum. »Das bedeutet das.«
    Ich hatte immer gedacht, es bedeutete, dass in einem anderen Leben jemand auf meinem Grab stünde.
    Der Arzt kneift meine Nase, späht in meinen Mund, tastet meine Kehle und meinen Nacken ab.
    »Mutter?«, sagt er.
    Sie wirkt aufgescheucht, setzt sich kerzengerade auf. »Ich?«
    »Irgendwelche vorherigen Anzeichen von Thrombozytopenie, vor heute?«
    »Wie bitte?«
    »Hat sie über Kopfschmerzen geklagt? Sind Ihnen irgendwelche stecknadelkopfgroßen blauen Flecken aufgefallen?«
    »Ich hab nicht geguckt.«

    Seufzend sieht der Arzt ein, dass das eine ganz neue Sprache für sie ist, fährt jedoch seltsamerweise damit fort.
    »Wann war die letzte Thrombozytentransfusion?«
    Mum schaut immer ratloser drein. »Ich weiß nicht recht.«
    »Hat sie in

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