Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
tätig, ansonsten aber ausschließlich bei verschiedenen NGO s angestellt. Er hat mehrmals für längere Zeit in Afrika und Mittelamerika gearbeitet. Dasselbe gilt auch für seine Frau. Sie ist seit einem Autounfall vor einigen Jahren vom Hals abwärts gelähmt, erteilt aber immer noch einige Stunden in der Woche kostenlose Rechtsberatung für Frauen in Not. Offenbar ist sie sehr pflegebedürftig, aber die beiden sind trotzdem zusammengeblieben. Was sollte ich noch berichten? Sie wohnen in einer Villa im Stockflethsvej in Frederiksberg.«
Gunnerus hatte nicht dagegen protestiert, in den Politigården einbestellt zu werden. Er war nicht angeklagt, aber eine vorläufige Befragung erforderte auch nicht, dass sie ihn formell einer Straftat bezichtigten oder ihm die Rechte eines Verdächtigen einräumten. Dennoch war Thor im Zweifel, ob sie richtig gehandelt hatten. Er warf Ewald einen letzten Blick zu, dann ging er in den Verhörraum.
Gunnerus sah anders aus als bei ihrer letzten Begegnung, blasser. Aber das konnte auch daran liegen, dass er sich nicht mehr in seiner gewohnten Umgebung befand, und an dem bläulichen Licht des Verhörzimmers, das alle kränklich aussehen ließ. Trotzdem machte er nicht den Eindruck, als fühlte er sich unwohl, eher den eines Mannes, der in sich selbst ruhte. Thor konsultierte seine Notizen, während Gunnerus weiterhin gelassen und ungerührt auf seinem Stuhl saß.
»Erzählen Sie mir etwas über den Journalisten Mikkel Spang-Hansen.«
Ein kurzer, erstaunter Blick, mehr nicht.
»Ich habe seinen Namen schon mal gehört, kenne ihn aber nicht persönlich.«
»Er wurde vor kurzem in der Nähe der Badeanstalt Helgoland getötet.«
»Ja. Ich lese auch Zeitung.«
»Und Anisa Farah? Kannte sie ihn?«
Gunnerus schüttelte überrascht den Kopf.
»Haben Sie heute nicht Linnea dabei, um Öl auf die Wogen zu gießen?«, fragte er dann.
Schweigen.
»Spang-Hansen hat also keinen Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«, hakte Thor nach. »Oder zu Ihrem Büro?«
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Das wäre doch nicht ungewöhnlich? Sie treten schließlich häufig in den Medien auf.«
»Ich gehe aber davon aus, dass Sie auf etwas Bestimmtes hinauswollen.«
»Bevor er starb, arbeitete er an einem Artikel über den internationalen Waffenhandel.«
Gunnerus sah ihn an. Zum ersten Mal im Verlauf des Gesprächs lächelte er nicht.
»Na, endlich rücken Sie damit raus.«
Thor überlegte, ob er direkt zur SAACID übergehen solle, aber Gunnerus zeigte fragend auf Thors Stift und Papier. Thor blätterte zu einer leeren Seite, riss sie heraus und schob sie ihm hin. Hastig schrieb Gunnerus etwas nieder, überlegte kurz und fügte noch etwas hinzu, ehe er Thor das Blatt zurückgab.
»Was ist das?«
Thor nahm den Zettel nicht in die Hand, sondern fixierte stattdessen weiterhin Gunnerus.
»Wenn das herauskommt, hat Kintu ein ernstes Problem«, erklärte Gunnerus. »Ich zweifle daran, dass wir weiterhin Unterstützung bekommen würden.«
»Wovon sprechen Sie?«
Gunnerus deutete noch einmal stumm auf das beschriebene Blatt, und jetzt warf Thor einen kurzen Blick darauf. Mit eleganter Handschrift hatte Gunnerus vier Firmennamen notiert.
»Deshalb wollten Sie mit mir sprechen, oder?«
Gunnerus blickte ihn an. Ernst, aber mit dem Anflug eines Lächelns.
»Vier Namen. Eine Hilfsorganisation in Somalia und drei Fluggesellschaften. Das sind die vier mir bekannten Fälle, in denen wir mit Waffenschmugglern kooperiert haben.«
31
L innea lief los und wäre fast vor der Kirche im Kies gestolpert. Sie zupfte ihre Kleidung zurecht, bereit, Adèle nachzugehen, und ziemlich genervt von dieser übertriebenen Sicherheitsveranstaltung.
»Entschuldigung, würden Sie mir bitte folgen?«
Der Chauffeur hatte eine zarte und beinahe feminine Stimme, und in jeder anderen Situation hätte Linnea sich über diesen Kontrast zu seinem barschen Äußeren amüsiert. Sie wollte protestieren, doch im nächsten Moment öffnete sich die Tür des dunkelblauen Volvos, der einige Meter entfernt parkte. Drei weitere Männer, die offenbar auch zu Adèles Gefolgschaft gehörten, stiegen aus. Alle trugen dunkle Anzüge und ganz offen Pistolen. Der Älteste telefonierte gerade und nickte konzentriert, während er mit dem Blick die Umgebung der Kirche absuchte.
Als sie bei dem Volvo angekommen war, bedeutete der Fahrer Linnea, ihre Jacke auszuziehen, die Arme auf das Autodach zu legen und die Beine zu grätschen, damit er sie abtasten
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