Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Fragen hin lediglich den Kopf geschüttelt. Widerwillig hatte sie ihm ihren Blackberry gegeben, woraufhin er routiniert die SIM -Karte herausgenommen und ihr anschließend beide Teile zurückgegeben hatte. Dabei hatte sie all ihre Hoffnung in die GPS -Funktion gesetzt, um wenigstens teilweise nachvollziehen zu können, wo man sie hinbrachte. Aber ihr Instinkt sagte ihr, dass sie besser nicht protestierte. Sie hatte selbst um dieses Treffen gebeten, also musste sie auch die Bedingungen akzeptieren.
Linnea biss sich auf die Unterlippe und versuchte, die Angst zu ignorieren, die beharrlich Signale an ihr Gehirn schickte, so dass sie zu schwitzen begann und ihr Herz raste. Sie konzentrierte sich darauf, durch die getönten Scheiben nach draußen zu sehen und sich Fixpunkte und Straßennamen einzuprägen. Das Leder knarzte, wenn sie sich bewegte, aber das war auch das einzige Geräusch, das in ihr Bewusstsein vordrang. Vorder- und Rücksitz waren durch eine dicke Glasscheibe voneinander getrennt. Adèle saß neben dem Chauffeur und telefonierte erneut. Er trug genau wie Linneas Nebenmann einen anonymen Anzug, abgerundet wurde der Bodyguard-Look mit einer dunklen Sonnenbrille. Beide vermittelten eine körperliche Autorität, die von dem Pistolenholster, das Linnea bei ihrem Bewacher entdeckt hatte, nicht gerade gemindert wurde. Adèle de Clermont-Tonnere war offensichtlich eine Frau, die kein Risiko einging.
Das Auto fuhr mit hoher Geschwindigkeit, obwohl der Berufsverkehr allmählich einsetzte, und die kleinen Gassen der Innenstadt rauschten vorbei, bis sie irgendwann auf die Reeperbahn einbogen. Jetzt ging es langsamer voran, und Linnea hatte Zeit, sich zu orientieren. Die Häuser waren renovierungsbedürftig und grau, was den Kontrast zu den verblassenden, aber immer noch bunten Fassaden der Stripbars und Pornokinos verstärkte. Unzählige Touristen mit Kinderwagen und Kamera spazierten umher, und sie wunderte sich ein wenig, dass dies das in ganz Europa berüchtigte Rotlichtviertel sein sollte. Eigentlich glich es mehr einem Freizeitpark zur Nebensaison.
Dann bog das Auto von der großen Straße ab, und ein Schild verkündete, dass sie sich nun in Altona-Altstadt befanden. Linnea spürte, wie die Angst sie wieder einholte. Zu beiden Seiten der Straße waren Rasenflächen mit großen Bäumen zu sehen, und kurz darauf wurden sie noch langsamer, und eine Kirche tauchte vor ihnen auf – wie ein scharfer Kontrast zur Reeperbahn. Sie bogen in die Einfahrt, und das massive, neurenovierte Gebäude mit dem imposanten Glockenturm ragte nun vor ihnen auf.
Linnea erlaubte sich einen kleinen Seufzer der Erleichterung. Hier wirkte alles so offen und hell, ganz weit entfernt von den finsteren Gassen, die sie sich in ihrer Phantasie ausgemalt hatte. Neben der Kapelle parkte sogar ein weiteres Auto. Als sie vor der Kirche hielten, stieg Linneas Bewacher aus, gab ihr jedoch ein Zeichen, dass sie sitzen bleiben sollte. Adèle drehte sich nicht zu ihr um, verließ aber auf ein Signal des Bodyguards den Wagen und schritt auf die Kirche zu. Linnea sah sie hineingehen und wollte die Tür öffnen, weil sie sich aus irgendeinem Grund noch unsicherer fühlte, wenn Adèle nicht in der Nähe war.
Das Auto war abgeschlossen, und sie durchwühlte fieberhaft ihre Tasche nach einem Gegenstand, mit dem man eine Autotür aufbrechen konnte. Im selben Moment hörte sie ein Klicken, und die Tür wurde geöffnet.
30
W arwick blieb eine Weile draußen vor dem Fenster stehen. Wenn er sich an die Wand drückte und hineinspähte, musste man schon genau hinsehen, um ihn zu entdecken. Aber im Wohnzimmer war niemand. Einige Lampen brannten, davon abgesehen deutete aber nichts darauf hin, dass jemand zu Hause war.
Warwick duckte sich, schlich unter dem großen Fenster entlang, das eine phantastische Sicht auf den Wallgraben bieten musste, und gelangte zur Rückseite des Hauses. Er verharrte kurz, um auf Geräusche zu horchen, und ging dann zu dem kleinen Fenster neben der Terrassentür. Er holte den Glasschneider hervor und schnitt druckvoll am ganzen Rahmen entlang. Anschließend zog er seinen Mantel aus und schützte seine Hände damit, bevor er die Scheibe andrückte. Das Gewicht gleichmäßig auf beide Seiten verteilen und dann ein kräftiger Stoß. Ein dumpfes Klirren ertönte, als das Fenster drinnen auf dem Boden landete, doch das war alles. Er öffnete die Fensterhaken und stieß den Rahmen ganz auf, so dass er mit dem Arm weit genug
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