Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
anderen bereits auf ihr Briefing warteten.
»Natürlich ist es wichtig, dass dänische Produkte und Technologien nicht missbraucht werden«, begann Tantawi. »Aber die staatliche Aufsicht und die Gesetzgebung müssen gleichzeitig auch berücksichtigen, dass die Firmen im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz nicht unter erschwerten Bedingungen arbeiten dürfen.«
Sie blickte in die Runde. Sie war die einzige Frau im kleinen Kreis der Ermittler, den Thor kurzfristig einberufen hatte.
»Das fordert zumindest der Branchenverband FAD «, fuhr sie fort. »Das ist die Vereinigung der Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrtindustrie in Dänemark. Und wie ihr vielleicht ahnt, hat sie eine große finanzielle Macht und wird dadurch ziemlich ernst genommen, wenn sie ihre Lobbyarbeit betreibt. Wenn also Russland Waffen an Diktatoren verkauft, die damit die Bevölkerung ihres Landes unterdrücken und verfolgen, soll Dänemark nicht davon Abstand nehmen, dasselbe zu tun, denn das würde seiner wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit schaden. So lautet die offizielle politische Linie. Man könnte meinen, es passe schlecht zu unserer Vorstellung, im Grunde eine pazifistische Nation zu sein, die für die internationale Zusammenarbeit eintritt, wenn wir in der Realität dem Profit den Vorrang geben gegenüber den internationalen Waffenembargos und Versuchen, den Bürgerkrieg in den Ländern der Dritten Welt zu verhindern. Aber das ist eben Politik, und so etwas geht uns nichts an.«
Kraus hob entnervt die Arme.
»Okay, ich habe inzwischen begriffen, dass Dänemark im großen Stil mit Waffen handelt, aber was sollen wir mit dieser Aussage anfangen?«
Thor kam Tantawi zuvor.
»Ich habe May gebeten, sich die Sache noch einmal näher anzusehen«, erklärte er. »Wir wissen, dass Spang-Hansen zuletzt an einer großen Enthüllungsreportage über den dänischen Waffenhandel arbeitete. Und noch dazu hat er versucht, Adèle de Clermont-Tonnere zu kontaktieren, eine notorische französische Waffenhändlerin.«
Ewald nickte schwerfällig. Er war gerade dabei, sämtliche Zeitungsartikel von Spang-Hansen durchzuarbeiten und Notizen von seinen sage und schreibe drei verschiedenen Computern zu lesen. Obwohl es unzählige Anspielungen auf seine aktuelle Recherche gab, hatte Spang-Hansen penibel darauf geachtet, keine konkreten Namen oder Firmen zu nennen. Es hatte fast schon den Anschein, als hätte er die wichtigste Information aus Vorsichtsgründen einzig in seinem Kopf gespeichert.
»Vermutlich hat Clermont-Tonnere einen oder mehrere Kooperationspartner hier in Dänemark«, berichtete Thor weiter. »Denen müssen wir auf die Spur kommen. Der französische Nachrichtendienst beschattet sie permanent, ist aber nicht kooperationsbereit. Deshalb habe ich May gebeten, diesen beschwerlichen Umweg zu gehen. Wenn wir den dänischen Waffenhandel durchforsten, müssten wir auf diesem Wege auf irgendwelche Namen stoßen.«
Diesmal nickte Tantawi zustimmend.
»Aber es gäbe da noch eine andere Möglichkeit, die es wert wäre, untersucht zu werden«, warf sie ein. »Denn abgesehen von dem sichtbaren dänischen Waffenhandel, könnte auch etwas anderes relevant sein. Zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Waffenhändlern. Sagt euch die SAACID etwas?«
Alle schüttelten den Kopf, und Tantawi fuhr fort : » Mir bis vor kurzem auch nicht, bis ich in einem aktuellen UN -Bericht darüberstolperte. Die SAACID ist eine somalische Hilfsorganisation, die sich darauf spezialisiert hat, Frauen und Kindern ein ›menschenwürdiges Leben‹ zu ermöglichen, wie sie selbst auf ihrer Website schreiben. In Somalias Hauptstadt sind sie der wichtigste Kooperationspartner einer der führenden dänischen NGO s – und sie stehen unter dem Verdacht, tief in den Waffenhandel verstrickt zu sein.«
Thor war ratlos.
»Ich sehe nicht ganz, worauf du hinauswillst.«
Tantawi lächelte.
»Eigentlich hätte ich gedacht, du würdest schneller darauf kommen.«
Doch in diesem Moment hatte Thor bereits geschaltet.
»Anisa Farah!«
»Ganz genau«, bestätigte Tantawi. »Kintu arbeitet mit der SAACID zusammen, also vielleicht solltet ihr euch dafür interessieren. Das könnte die Verbindung zwischen Anisa und Spang-Hansen sein.«
*
Selbst mit ihrer verstopften Nase nahm Linnea den starken Ledergeruch der Autositze wahr. Sie saß im Fond neben einem wortkargen jungen Mann, der statt einer Begrüßung ihr Handy verlangt hatte. Seither hatte er nichts mehr gesagt und auf Linneas
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