Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Computer, auf die sie sich normalerweise eifrig gestürzt hätten, waren im Zusammenhang mit den Morden alle verschwunden. Dafür hatten sie überraschenderweise Hilfe von Carl Henrik Gunnerus Poulsen erhalten. Er hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass die drei Dänen Mailkontos über Kintu hatten, und obwohl sie natürlich passwortgeschützt seien, dürfe es für ihren IT -Administrator kein Problem darstellen, den Zugang herzustellen. Nach nur wenigen Anrufen hatte Kraus tatsächlich auf alle drei Mailkonten zugreifen können und fast das ganze Wochenende damit verbracht, sich durch die vielen Mails zu kämpfen. Aber die Frage war, ob sie es sich erlauben konnten, so viel Zeit auf eine inoffizielle Ermittlung zu verwenden, jetzt, da die Suche nach Anisa eine ganz neue Priorität hatte. Thor hatte beim Telecenter der Reichspolizei zusätzlichen Druck ausgeübt. Schon über das kleinste Piepsen von Anisas Handy würde er noch in derselben Sekunde informiert werden. Gleichzeitig mussten sie aber auch noch Vibe Herzogs Leben und Wirken bis zu ihrem Tod genau untersuchten.
»Soweit ich sehen kann, haben die drei sich mehrmals täglich Mails geschrieben.«
Kraus erhob sich von seinem Schreibtisch.
»Aber ich habe etwas, was noch viel interessanter ist.«
*
Linneas Tag begann bestens – mit der lang ersehnten Mail von Irmelin. Diese war allerdings provozierend kurz. Irmelin schrieb nicht mehr, als dass sie das Ergebnis des DNA -Abgleichs vorliegen habe, um das Linnea sie gebeten hatte. Kein Wort darüber, wie es ausgefallen war. Linnea hatte sofort im Institut für Forensische Genetik angerufen.
»Ich kann in einer Viertelstunde bei dir sein.«
Irmelin lachte.
»Das ist nicht nötig, ich bin gerade dabei, dir alles zusammenzustellen, einzuscannen und zu mailen. Du hast die Ergebnisse im Laufe des Vormittags.«
»Und?«
»Ich glaube, du wirst sehr zufrieden sein.«
Als Linnea das Gespräch beendete, stand sie bereits unten auf der Knabrostræde, und exakt eine Viertelstunde später war sie in Irmelins Büro.
»Hab ich’s mir doch gedacht, dass du nicht würdest warten können«, sagte sie.
»Und was ist denn nun die Konklusion?«
Linnea war bereits dabei, die Papiere durchzublättern, und sah irgendwann auf, als Irmelin ihr nicht antwortete.
»Es war übrigens nicht ganz leicht, deinen privaten Auftrag in so kurzer Zeit zu bearbeiten«, erklärte Irmelin.
Linnea nickte.
»Ich dachte, es wäre einen Versuch wert«, erwiderte Linnea dann. »Letztes Jahr habe ich von einem alten Fall aus Deutschland gehört. 1977 wurde der deutsche Generalbundesanwalt Sigfried Buback von zwei maskierten Männern erschossen, die an einer Ampel mit dem Motorrad neben ihm hielten und das Feuer eröffneten. Die RAF hat sich in einem Schreiben zu dem Anschlag bekannt, und später wurden zwei ihrer Mitglieder wegen Mittäterschaft verurteilt. Aber man konnte nie beweisen, wer von den beiden geschossen hat, und außer ihnen wurde niemand für das Mitwirken an dem Anschlag verurteilt.«
Irmelin kniff die Augen zusammen.
»Darüber habe ich irgendwas gelesen.«
»Garantiert«, sagte Linnea. »Den deutschen Forensischen Genetikern ist es nämlich gelungen, an dem alten Brief DNA -Spuren zu finden. Aufgrund dieser Spuren wurde jetzt eine Achtundfünfzigjährige, ein früheres RAF -Mitglied, für ihre Mitwirkung bei der Planung des Mordes verurteilt. Sie wurde mithilfe von dreißig Jahre alten Spuren überführt!«
»Ich dachte mir schon, dass es um etwas Ähnliches geht, als du mich beauftragt hast, in den Archiven zu wühlen.«
»Und?«
Wortlos nahm Irmelin die Papiere, in denen Linnea geblättert hatte, und schlug die letzte Seite auf. Linnea konnte triumphierend feststellen, dass es Irmelin nicht nur gelungen war, verschiedene DNA -Typen auf dem alten Brief aus dem Polizeiarchiv zu finden, mit dem die Force 17 im Jahr 1986 die Verantwortung für ein Bombenattentat in Israel übernommen hatte. Noch dazu war eine der Spuren mit dem DNA -Profil identisch, das Linnea auf Adèle de Clermont-Tonneres Taschentuch aus Hamburg mitgebracht hatte.
»Zufrieden?«, fragte Irmelin.
Linnea antwortete nicht. Sie hatte schon ihr Handy am Ohr und rief Thor an. Die Mailbox sprang sofort an, aber das hinderte sie nicht daran, ihn an ihrem brillanten Coup teilhaben zu lassen. Sie hinterließ eine kurze Nachricht: »Was hältst du von einem Durchbruch in deinem Fall?«
50
T hor legte sein Telefon beiseite und nahm das Ringbuch entgegen,
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