Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
zwischendurch wieder miteinander telefoniert, und die Mutter hatte so klar gewirkt, dass Linnea es gewagt hatte, das Wort Pflegeheim in den Mund zu nehmen. Die Mutter hatte ihr sofort an den Kopf geworfen, wenn sie das Centre Hospitalier Intercommunal Eure-Seine gesehen hätte, in dem die Kommune freundlicherweise ihre »alten und hinfälligen Bürger« unterbrachte, würde sie es nicht übers Herz bringen, so etwas vorzuschlagen. Das musste aber immerhin bedeuten, dass die Mutter eine solche Einrichtung besichtigt hatte und ihr in ihren lichten Momenten vielleicht durchaus klar wurde, dass etwas passieren musste.
Sie sah auf, als Thor ins Wohnzimmer kam.
»Außerdem bist du derjenige, der mich immer wieder in seine Arbeit hineinzieht«, sagte sie und knüpfte an das Gespräch an, das sie im Garten begonnen hatten. »Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Ist das etwa nicht unprofessionell? Und noch dazu habt ihr es einzig und allein mir zu verdanken, dass ihr in diesem Fall überhaupt weitergekommen seid!«
Thor schaute sie verblüfft an.
»Jetzt wisst ihr, dass Anisa nicht weiß, dass man ihr Handy orten kann«, fuhr Linnea fort. »Du hättest die Sache mit dem Telefon einfach fallen lassen, wenn ich nicht entdeckt hätte, dass sie auf dem Dachboden übernachtet hat. Hab ich recht? Jetzt müsst ihr sie nur weiterhin im Auge behalten. Und sobald sie ihr Handy wieder benutzt, findet ihr sie.«
49
E inzig und allein Thors Schritte hallten auf dem Flur der Mordkommission wider, als er am Montagmorgen dort entlangging. Aber er war nicht allein. Neben einem der Archivschränke, die eigentlich nicht auf dem Gang stehen durften, wartete ein Mann auf ihn. Thor erkannte ihn sofort, weil er sich nach Carsten Greives Tod unzählige Monate davor gefürchtet hatte, dass Anders Ahlmark auftauchen und ihm anklagend auf die Schulter tippen würde. Der Kommissar war der Personalabteilung zugeordnet, kam aber im Gegensatz zu den anderen Bürohengsten von der Kripo und untersuchte Disziplinarverfahren und Klagen gegen die Polizei. Er gehörte zur internen Abteilung.
Thor nickte ihm kurz zu und wollte gerade in sein Büro gehen, als ihm klar wurde, dass Ahlmark auf ihn wartete.
»Wir haben eine Untersuchung eingeleitet.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
Thor starrte den Kommissar an und fluchte darüber, dass er die Angelegenheit die ganze Zeit vor sich hergeschoben hatte. Er hatte seine Pistole als gestohlen gemeldet, doch ihm war noch immer keine gute Erklärung gekommen, die nicht auf grobe Fahrlässigkeit seinerseits schließen ließ.
»Das endet schlimmstenfalls damit, dass ich von Lange getadelt werde, das weißt du doch genauso gut wie ich.«
Ahlmark verzog keine Miene. Er war es vermutlich gewohnt, dass sich die Kollegen nicht gern in die Karten gucken ließen.
»Man hat dich angezeigt, weil du ›die Paragraphen zur Aufbewahrung von Dienstwaffen in der Dienstvorschrift B 15 ‹ nicht ›gewissenhaft befolgt‹ hast. Erklär mir bitte, warum ich keine Suspendierung empfehlen soll!«
Thor starrte ihn an.
»Wenn es das erste Mal wäre, könnte ich ein Auge zudrücken, aber du bist ja nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt«, fügte Ahlmark hinzu.
Er wandte sich zum Gehen, zögerte aber doch einen Moment.
»Außerdem bin ich nur aus reiner Höflichkeit vorbeigekommen, um dich darauf vorzubereiten. Die Untersuchung läuft bereits, ob du es willst oder nicht.«
Nur seiner Willenskraft war es zu verdanken, dass Thor nicht die Tür hinter sich zuschlug. Dahinter wartete Daniel Kraus mit einem Grinsen auf den Lippen, das verriet, dass er das Gespräch belauscht hatte.
»Man muss seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahren«, sagte er neckisch. »So sieht es das Gesetz nun mal vor.«
»Es ist der Geist des Gesetzes und nicht der einzelne Buchstabe, der zählt«, erwiderte Thor. »Aber diesen Unterschied kann man natürlich nur machen, wenn man selbst im Besitz geistiger Kräfte ist, und da bin ich mir nicht bei allen hier im Haus sicher.«
Er wusste, dass seine Verteidigungsgrundlage ziemlich dünn war, aber Ahlmarks Wichtigtuerei brachte sein Blut zum Kochen.
»Was gefunden?«
Er deutete auf Kraus’ Computer.
»Nichts Großes. Ein paar Mails an die Familie daheim. Ein paar Einkäufe im Internet, Alltägliches. Nichts, was für uns von Interesse sein könnte.«
Thor und Kraus erforschten weiterhin in Eigenregie das Umfeld der drei Dänen, die in Mogadischu getötet worden waren. Die Telefone und
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