Bewahre meinen Traum
eine?
Max band das Kanu an einer Klampe fest. „Ich gehe angeln, Daddy, okay?“
„Okay, aber bleib auf dem Steg.“ Greg war froh, dass der Junge etwas Vernünftigeres tun wollte, als Brooke Harlow anzustarren.
Greg wandte sich zu Nina. Sie betrachtete das Inn, ihre dunklen Augen leuchteten hell wie Diamanten vor lauter … Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht lesen, aber er sah, dass sie nicht glücklich war. Pudelnass sah sie noch kleiner aus als sowieso schon. Ihr pechschwarzes Haar hing schlaff herunter, und ihre Spandex-Hose und das T-Shirt klebten an ihr wie eine zweite Haut. Mit einem Blick erkannte er, dass sie unter dem T-Shirt einen Sport-BH trug. Wer auch immer dieses Kleidungsstück erfunden hatte, dem mangelte es definitiv an Fantasie.
„Nun“, sagte Nina und fing an, das Wasser aus dem Kajak zu schöpfen. „Wenn das mal nicht ein toller Tag ist.“
Greg fragte sich, warum sie sich – abgesehen davon, dass sie klitschnass war – so feindselig gab. Das war kein gutes Zeichen, da sie ja bald zusammenarbeiten sollten. Und zu den wenigen Dingen im Leben, die er noch nicht gelernt hatte, gehörte das Wissen darum, wie man mit einer wütenden Frau umging. Er hatte es nicht gekonnt, als er verheiratet gewesen war, und er konnte es auch jetzt nicht. Er war Nina im Laufe der Jahre immer wieder mal über den Weg gelaufen. Er erinnerte sich an sie als lebhaftes Kind, das ein paar Jahre jünger war als er. Hatte sie als Teenager gesehen, wenn er seine Ferien im Camp Kioga verbracht hatte. Er erinnerte sich an mehr, als sie ahnen konnte, aber es war vermutlich keine gute Idee, das anzusprechen. Vor allem nicht, wo sie in dieser Stimmung war. Als er letztes Jahr hierhergezogen war, hatte sie so etwas wie einen ersten Schritt in seine Richtung gemacht, aber er – noch aus der Bahn geworfen von der Scheidung – war darauf nicht eingegangen. Wenn er sie jetzt so anschaute, war das ganz schön dumm gewesen. In einer nassen, wütenden Nina steckte mehr Feuer und Sex-Appeal als in hundert blonden Brookes.
Die alten Planken des Stegs knarrten, als Nina sich hinunterbeugte, um das Kajak aus dem Wasser zu ziehen.
„Ich helfe dir“, bot Greg an. Er war ein wenig irritiert, dass sie ihn nicht um Hilfe gebeten hatte. Das Kajak war schwer, und als sie es umgedreht aus dem See zogen, schwappte eine erneute Woge Wasser über ihre Füße. Sie legten das Kajak kieloben auf den Steg, um es abtropfen zu lassen. Greg beobachtete, wie Brooke und Shane den breiten Rasen überquerten. Zu ihrem ersten – und offensichtlich auch letzten – Date war Brooke mit ihrem eigenen Auto zum Inn gefahren. Auch wenn er noch nicht lange geschieden war, hatte Greg die Masche mit den getrennten Wagen sofort durchschaut. Wenn man ein Rendezvous – eine Verabredung, ein Date, was auch immer – vereinbarte, war es sicherer, getrennt an- und abzureisen. Für heute Abend hatte Greg geplant, Max in der Obhut seiner älteren Schwester zu lassen und Brooke zum Dinner auszuführen, um sich danach – bitte, Gott, es war so lange her – flachlegen zu lassen.
Aber das stand nun offensichtlich nicht mehr auf dem Programm. Jetzt war er nass und ihm war kalt und er hing mit einer ebenso nassen und kalten und dazu noch wütenden Nina Romano fest.
Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war auf der Abschlussfeier der Highschool gewesen. Sie beide hatten jetzt eine Tochter in der Abschlussklasse. Sonnet Romano und Daisy waren sogar Freundinnen, auch wenn die Zukunft, die vor den beiden lag, nicht unterschiedlicher hätte sein können. Sonnet würde reisen und Abenteuer erleben und aufs College gehen, während Daisy …
„Ich geh dann mal lieber“, unterbrach Nina seine Gedanken. „Mein Auto steht auf der anderen Seite des Sees beim öffentlichen Bootshaus.“ Sie bückte sich, um ihr Kajak wieder zu Wasser zu lassen.
„Vergiss das“, hörte Greg sich sagen. „Gehen wir erst einmal rein, um uns abzutrocknen.“
Er zeigte auf das Inn. Das Haupthaus war ein Gebäude voller Wunder. Es war in den 1890er Jahren als großes Sommeranwesen für die Familie eines Eisenbahnbarons gebaut worden, der mehr Geld als gesunden Menschenverstand besessen hatte. Im Laufe der Generationen hatte das Haus einige Veränderungen durchgemacht und war schlussendlich zu einem gemütlichen Gästehaus am See geworden, wie es sich Leute wünschten, die der Hektik des Alltags für ein paar Tage entkommen wollten.
„Was meinst du mit ‚gehen wir erst mal
Weitere Kostenlose Bücher