Bewahre meinen Traum
sich glücklich schätzen könnte. Es hätte so einfach sein sollen – eine Scheidung, die Kinder gehen mit der Mutter. Das passierte jeden Tag.
Was für ein Desaster. Max hatte nur wenige Tage in der feindlichen Umgebung durchgehalten, bevor er zusammengebrochen war. Daisy schaffte es nicht viel länger, dann wurde sie fürchterlich krank. Später stellte sich dann heraus, dass es an ihrer Schwangerschaft gelegen hatte. Daisy verfolgte immer noch der Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter, als sie und Max ihr gesagt hatten, sie wollten – mussten – bei ihrem Dad leben und zu ihm nach Avalon ziehen. Die Bellamys hatte eine lange, angesehene Geschichte in dieser Stadt. Es war ein sicherer Ort, um sich an die Veränderungen in ihrem Leben zu gewöhnen. Und Mom, normalerweise so eine Kämpferin, hatte Stunden mit dem Familientherapeuten verbracht und dann gesagt, dass sie es versteht. Angesichts des Traumas der Scheidung wollte sie die Sache nicht noch schlimmer machen, indem sie ihre Kinder zwang, auf der anderen Seite des Ozeans unter lauter Fremden zu leben. Aber genauso wenig konnte sie dem Fall, dem sich sie verpflichtet hatte, einfach den Rücken kehren, auch wenn sie sagte, dass sie es tun würde.
Daisy erinnerte sich noch an das Zittern in der Stimme ihrer Mutter, als sie sagte: „Ich bleibe bei euch in den Staaten.“ Sowohl ihr als auch Max war ihr innerer Aufruhr aufgefallen.
Und beide hatten gewusst, dass es nicht funktionieren würde, wenn ihre Mutter sich von ihrer Mission zurückzog. In einem Augenblick der Gemeinheit, für den sie sich immer noch schämte, hatte Daisy ihren Teil dazu beigetragen, indem sie ihrer Mutter sagte, es wäre völlig sinnlos, wieder zurück in die Staaten zu ziehen, wenn sie und Max doch sowieso bei ihrem Vater leben wollten.
Also unternahm ihre Mutter alle paar Wochen den Transatlantikflug, um sie zu sehen und sammelte Unmengen an Bonusmeilen. Die Besuche waren oft angestrengt und gezwungen, niedergedrückt von den Schuldgefühlen ihrer Mutter, Max’ Schmerz und Daisys Abwehr. Max hatte seine Mutter ein paar Mal besucht, aber Daisy nicht, auch wenn die Einladung noch stand. Daisy dachte zynisch, die Tatsache, dass sie und Max nach der Scheidung zu ihrem Vater gezogen waren, kollidierte fürchterlich mit dem ewigen Kampf ihrer Mutter um Perfektion. Die perfekte Frau, die perfekte Mutter, die perfekte, in der Weltgeschichte herumreisende Anwältin, die die Welt rettete. Ihre Mutter hatte schließlich einsehen müssen, dass sie nicht in allem perfekt sein konnte. Nur in einigen Dingen.
Was sie aber nicht davon abhielt, zu versuchen, die perfekte Großmutter zu werden. Das war der Hauptgrund für ihren heutigen Einkaufstrip.
Der Laden hieß New Beginnings und behauptete, alles zu haben, was werdende Eltern für den Neuanfang brauchten. Daisy besaß bereits die Grundausstattung – Wiege, Autositz, Kinderwagen – und ihre Cousinen hatten ihr eine Babyparty ausgerichtet, die einer Prinzessin würdig gewesen wäre. Aber ihre Mutter hatte darauf bestanden, die Babyerstausstattung zu kaufen.
Als sie nun so zwischen ihren Eltern durch den Laden ging, empfand Daisy ein falsches Gefühl von Sicherheit, das sie zurück in ihre Kindheit transportierte, wo alles so viel einfacher gewesen war. Nachdem ihre Eltern sich getrennt hatten, hatte Daisy noch gehofft, sie würden ihre Meinung ändern, würden doch wieder zusammenkommen. Jetzt allerdings wusste sie es besser. Nicht so Max. Er lebte immer noch für seinen Traum, dass seine Eltern sich wieder zusammentäten. Bald schon würde er lernen, was ihre Mutter schon vor langer Zeit erkannt hatte. Eine Wiedervereinigung stand nicht mehr zur Debatte. Der Zug war abgefahren.
Daisy wusste, dass das, was sie seit einiger Zeit vermutete, worauf sie seit einiger Zeit sogar hoffte, wahr geworden war. Dad war mit Nina zusammen. Vor ein paar Tagen war Daisy nachts für den gefühlten hundertvierundsiebzigsten Badezimmerbesuch aufgestanden und hatte ein Geräusch gehört. Es war ihr Dad, der um vier Uhr morgens durch die Hintertür kam. Er hatte ihr erzählt, er hätte Waschbären an den Mülltonnen gehört.
Ja, klar.
Sie sah, dass eine Verkäuferin sie und ihre Eltern musterte. Vermutlich versuchte sie, herauszufinden, was das für eine Konstellation war. Ihre Eltern sahen einfach noch nicht wie zukünftige Großeltern aus. Ein zufälliger Beobachter konnte durchaus denken, dass sie die Adoptiveltern waren und Daisy ihnen ihr Baby
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