Bewahre meinen Traum
genau jetzt, wo mir das hier passiert ist“, sie legte eine Hand auf ihren Bauch, „endlich herausgefunden habe, was mir liegt und worin ich gut bin.“ Sie machte ein Foto eines auf dem Wasser landenden Seetauchers, der eine scharfe weiße Welle verursachte. „Ich wünschte, ich könnte mein Leben noch mal zurückspulen, weißt du? Ein paar bessere Entscheidungen treffen.“
„Das wünscht sich jeder.“ Er beschattete wieder seine Augen und schaute auf den See. „Es ist echt hübsch hier.“
„Schätze schon. Manchmal, wenn ich daran denke, mein ganzes Leben hier zu verbringen, flippe ich allerdings aus.“
„Niemand zwingt dich, hier zu bleiben.“
Sie dachte an ihren Dad und Max, und wie verloren die beiden wären, wenn sie ganz allein hier blieben. Doch, dachte sie, das tun sie.
11. KAPITEL
A m Tag, nachdem Nina ihren Vertrag mit Greg Bellamy unterschrieben hatte, fuhr sie mit ihren restlichen Sachen und einem Bündel Bedenken zum Inn am Willow Lake. Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen und überlegt, ob sie die richtige Wahl getroffen oder ihre Träume verkauft hatte. Das Anwesen glich einem Bienenstock. Handwerker liefen kreuz und quer über die Grünflächen, Männer standen auf Leitern, Gärtner wühlten in der Erde. Sie warf einen Blick zu dem schmalen, hohen Haus im viktorianischen Stil am anderen Ende des Grundstück, in dem Greg lebte, dann glitt ihr Blick zum Bootshaus, das nur ein paar Hundert Meter entfernt lag. Sie hoffte, die Häuser stünden weit genug entfernt, damit sich alle wohlfühlten. Wenn sie sich in der Vergangenheit das Inn vorgestellt hatte, war in diesen Träumereien kein Mann mit zwei Kindern vorgekommen, und schon gar nicht ein in wenigen Wochen erwartetes Enkelkind. Aber ihr gesamtes Erwachsenenleben hatte daraus bestanden, Kompromisse einzugehen, und das hier war nichts anderes. Vielleicht war es ihr einfach nicht bestimmt, das, was sie haben wollte, auch zu ihren Bedingungen zu bekommen. Und vielleicht war das gar nicht mal so schlecht.
Der Gedanke hallte noch in ihrem Kopf nach, als sie die Treppen zum Bootshaus hinaufstieg und eine lebendige, atmende Fantasie vorfand. Greg stand auf der Leiter auf der Veranda und putzte die Fenster. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen und hinten in den Bund seiner Hose gesteckt. Die Sommersonne hatte einen goldenen Schimmer auf seine Schultern gemalt. Er trug eine umgedrehte Yankees-Kappe, und jede Wischbewegung seines Armes mit dem Schwamm war zum Leben erwachte Poesie.
„Welchem Anlass verdanke ich die Ehre?“, fragte sie. „Der Besitzer selber putzt meine Fenster?“
Er kletterte von der Leiter. Seine Brust war von einem leichten Schweißfilm überzogen, und Nina gab sich alle Mühe, nicht zu offensichtlich zu gucken. „Ich bezahle Connors Arbeiter nach Stunden“, sagte er. „Also will ich ihre Talente nicht auf schlichte Hausarbeiten vergeuden.“
„Ah. Dafür habe ich also dich mit deinem Diplom in Architektur.“
„Ich helfe dir mit deinen Sachen.“ Er überquerte die Terrasse und trat zwischen sie und die Glastüren. Einen Augenblick lang trennten sie nur wenige Millimeter von seiner gebräunten, glitzernden Brust. Ein paar helle Haare wuchsen darauf. Ihr stieg ein wilder, männlicher Geruch in die Nase. Doch anstatt sich davon abgestoßen zu fühlen, spürte sie wieder ihre übliche, instinktive Reaktion auf ihn. Ihre Wangen wurden rot, und sie musste schwer schlucken. Sie fühlte sich gefangen. „Äh, Greg …“ Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen wollte. Danke fürs Fensterputzen?
Er zog die Tür auf und trat mit einer kleinen Verbeugung ein.
Nina zog den Kopf ein und tat so, als wäre sie von ihm vollkommen unbeeindruckt. „Das ist doch nicht nötig.“
„Stimmt, aber es hilft. Es zeigt dir, dass ich weiß, wie man sich als guter Nachbar verhält – denn immerhin werden wir ab heute Nachbarn sein –, und je schneller du einziehst, desto schneller können wir loslegen.“
„Ich verstehe. Nun, danke schön.“
„Gern geschehen.“ Mit einer fließenden Bewegung zog er sein T-Shirt über. Nina verspürte einen klitzekleinen Stich der Enttäuschung. Sie betrachtete ihn unauffällig, aber eindringlich, und versuchte herauszufinden, warum er in der einen Minute so ungeniert sexy war und in der nächsten höflich und hilfsbereit. Das war nicht die Art, wie Männer sie normalerweise behandelten. Die Netten waren meist nicht hilfreich, und die Hilfreichen waren selten nett.
„Danke“, sagte sie
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