Bewahre meinen Traum
dieser Gedanke auch Julian nicht kommen würde. Und das war genau das, was sie an ihm so mochte – unter anderem. Er war entspannt, vollkommen unvoreingenommen, und er verstand sie. Sogar jetzt, wo sie sich fühlte, als wäre sie seit elf Jahren schwanger, musste sie sich nicht verstellen.
Sie hörte, wie der Wäschetrockner ausging, und ging, um ihn auszuräumen. Dabei sprach sie die ganze Zeit weiter. Methodisch legte sie die Handtücher und Kleidung zusammen und brachte derweil Julian auf den neuesten Stand ihres Lebens. Sie hatte ihren Abschluss an der Avalon Highschool gemacht und erst vor Kurzem aufgehört, in der Bäckerei zu arbeiten, um sich langsam auf das Baby vorzubereiten. Sie fotografierte immer noch leidenschaftlich gerne und oft, und alle Bilder in der Broschüre und auf der Internetseite des Inn am Willow Lake stammten von ihr.
„Wie steht’s mit dir?“, fragte sie Julian und packte die Handtücher oben auf einen schon leicht schief stehenden Stapel drauf. Wäsche zusammenlegen war eine der wenigen Aufgaben im Haushalt, die selbst sie konnte.
„Ich bin im Air-Force-ROTC-Programm aufgenommen worden und werde aufs College gehen. Danach bekomme ich eine Pilotenausbildung und vielleicht geht es danach weiter mit der TPS – Testpiloten-Schule.“
„Ich habe gehört, dass das so ziemlich das Gefährlichste ist, was man machen kann“, sagte sie.
„Nur wenn man nicht vorsichtig ist. Aber ich werde vorsichtig sein.“
„Und es wird schwer.“
Er ließ seinen Blick demonstrativ über ihren Bauch gleiten. „Nicht so schwer wie das. Angst zu haben ist nicht immer was Schlechtes. Es lässt einen vorsichtig werden. Ich schätze, mit einem kleinen Baby ist das vermutlich das Wichtigste.“
„Ja, vielleicht“, sagte sie. „Aber mein Gott … ich habe mich in meinem Leben nie um etwas gekümmert. Keinen Hund, keinen Hamster. Nicht mal einen Philodendron oder ein Usambaraveilchen.“
Er schaute auf den Stapel mit gefalteter Wäsche und dann auf das Hemd, an das sie die Knöpfe angenäht hatte. „Klar.“
„Ich habe noch nicht alle Alternativen ausgeschlossen.“ Ihre Stimme war nur ein Hauch, als sie dieses Geständnis machte. „Wenn das Baby erst mal da ist, war es das. Manchmal denke ich darüber nach, wie es wäre, es wegzugeben. Manchmal denke ich, das wäre gar nicht so schlimm.“
„Du bist nicht die Erste, die so etwas denkt.“
Daisy hatte viele Stunden damit verbracht, sich verschiedene Leben für sich vorzustellen. Sie könnte diese junge, alleinerziehende Mutter sein und ihr Leben der Erziehung ihres Kindes widmen, ähnlich wie Nina Romano es getan hatte. Oder sie könnte ihr Baby an eine Familie geben, die sich sehnlichst ein Kind wünschte. Danach könnte sie ihr Leben wieder aufnehmen, weiter zur Schule gehen, sich eine Arbeit suchen, was immer sie auch wollte.
„Ich wünschte, ich wüsste, was das Richtige ist“, gab sie Julian gegenüber zu.
„Es gibt mehr als nur eine richtige Wahl“, sagte er. „Meine Mutter hätte mich zur Adoption freigegeben, wenn mein Vater mich nicht zu sich genommen hätte. Manchmal denke ich darüber nach, wie mein Leben gewesen wäre, wenn ich zwei normale Eltern gehabt hätte.“
„Ich hab eine Neuigkeit für dich: So etwas wie normale Eltern gibt es nicht.“ Daisys Berater hatte sie gedrängt, sich diese Option auch genauer anzusehen, sich schlauzumachen. Sie hatte erfahren, dass Adoptiveltern dazu neigten, dem Kind, das zu ihnen kam, eine wundervolle Zukunft zu bieten. Ein Anruf, und die ersten Treffen mit potenziellen Eltern könnten sofort vereinbart werden – Paare, Singles, jung, alt, hetero- oder homosexuell, reich, bescheiden … Es gab unzählige Familien, die einem Neugeborenen ihr Herz und ihr Heim öffnen wollten.
„Mein Dad war nicht perfekt, aber ich hätte ihn für nichts in der Welt eintauschen wollen“, sagte Julian.
Daisy spürte die bittersüße Stimmung, die Julian ausstrahlte. Irgendwie hatte er sich mit seinem Verlust arrangiert. „Und wo wir gerade davon sprechen, Mr Superhirn, wo willst du aufs College gehen?“
„Cornell. Ich fange im Herbst an.“
Ihr wurde ganz leicht ums Herz. „Ithaca ist gar nicht so weit von hier.“
„Das hat auch eine Rolle gespielt“, gab er zu. „Mein Bruder und ich sind getrennt voneinander aufgewachsen, und jetzt endlich habe ich die Chance, mehr von ihm zu sehen.“ Er schwieg und schaute sie direkt an. „Und von dir.“
Sie errötete. Es war komisch, dass sie immer
Weitere Kostenlose Bücher