Bewegt Euch
nervige Beziehung. Es war ja keine Liebe auf den ersten Blick. Wir mussten uns erst aneinander gewöhnen. Auf die anfängliche Entdeckungsfreude folgten bald gegenseitige Skepsis, dann Routine, Krisen, dramatische Trennungsversuche und schließlich die Erkenntnis, dass wir ohne einander nicht können. Wir sind halt eins. Wir arbeiten, leiden, albern zusammen.
Unser Medium ist die gleichförmige Bewegung. In rhythmischer Ruhe taucht Achim plötzlich auf, mal fragend, mal lachend, mal wütend. Der innere Dialog beginnt. Es gibt gute Augenblicke, herbe Enttäuschungen, da sind die Routinen oder überraschend neue Gedanken. Nichts ist fertig, alles in Bewegung.
Ganz ohne Lebenshilfeliteratur, Diät-Terror oder Psycho-Coaching eröffnet Achim Achilles mir neue Dimensionen des Daseins. Wir bewegen uns hinaus aus dem alltäglichen Wirrwarr von Job, Familie und Funktionieren-Müssen auf eine Dialogebene. Ich rede mit mir.
Psychologen mögen mich für einen schweren Fall halten, aber dieser innere Achim ist Spiegel meines Selbst, eine Projektionsfläche für Gefühle und Zustände, Hoffnungen und Ängste, auch für Verhaltensmuster, die nicht immer im Einklang mit den Empfehlungen meines Hausarztes stehen. Diese reflektierte Selbsterfahrung beim sonntäglichen Waldlauf bedeutet eine Universaltherapie für Körper, Geist und Seele. Wenn ich mich bewusst bewege, erfahre ich das Leben intensiver. Ich erfahre Wohlbefinden. Bewegen, Denken, Duschen – so einfach kann es sein.
Achilles ist zugleich meine Suchmaschine. Langsam kapiere ich, wie Stress, schlechte Laune und Unwohlsein entstehen und was ich dazu beitrage. Zwei Tage Wandern genügen. Achim stellt Fragen, am liebsten die grundsätzlichen, er bekräftigt, zweifelt, bremst. Er ist weder Mediziner noch Psychologe, dafür ein knallharter Pragmatiker, der – sehr deutsch – aus tiefer Skepsis sein Glück schöpft.
Der Glücks-Experte Dr. Eckart von Hirschhausen zählt fünf Arten des Glücks auf:
Das Glück der Gemeinschaft, das Glück des Zufalls, das Glück des Moments, das Glück der Selbstüberwindung und das Glück der Fülle.
Sobald ich mich bewege, vergrößere ich meine Chancen dramatisch, einer dieser Glücksarten zu begegnen. Und es kommen sogar noch zwei hinzu: das Glück der Besinnung, das mit Meditation zu tun hat und von manchen Sportsfreunden in den Rang des Gebets erhoben wird. Und das Glück des Bestimmens. Denn Körper, Kopf und Seele reagieren auf Bewegung, und wie.
Mein innerer Achim hat mir in einem langen und niemals geradlinigen mentalen Trainingslager gezeigt, dass diese Glücksarten zuverlässig zu erleben sind, in unterschiedlichen Intensitäten und immer neuen Kombinationen, die ich auf dem Sofa vor dem Fernseher schlicht verpasst hätte.
Das Glück der Selbstüberwindung ist immer dabei, dieses wohlige Gefühl, am Abend eines Paddelausflugs, auf der Hütte nach regennasser Wanderung. Nie, fast nie, habe ich hinterher bereut, dass ich aufgebrochen bin. Mochten die Bedenken vorher noch so groß gewesen sein, im Ziel wartete stets eine Befriedigung, die sich nicht verschleißt, sondern über die Jahre eher stärker geworden ist.
An Wert gewonnen hat das Glück der Gemeinschaft. Waren mir früher die Zielzeiten wichtig, sind es jetzt die Stunden gemeinsamen Lachens und Leidens. Bewegen mit anderen meint immer Kommunikation, Austausch und spätestens beim ersten Anstieg auch einen Gleichklang des Empfindens.
Das Glück des Zufalls, des Moments, der Fülle drapiert sich dazwischen wie die Deko-Petersilie auf den Salzkartoffeln. Nicht vorhersagbar, aber dennoch immer da. Ein neuer Freund, die magische Viertelstunde beim Langlauf, die einfach so verschwunden ist, die Spannung, eine neue Strecke, ein neues Gerät, einen tollen Wettbewerb zu probieren.
Achim und ich, wir sind zwei Gewichte auf einer Wippe. Das Ziel ist Balance, der Weg dorthin permanentes Gewackel. Mal gewinnt er, mal ich. Das war nicht immer so. Jahrelang herrschte Krieg zwischen uns, ein dauernder Druck, der von Stoppuhren, Plänen, Waagen, von irrealen Zielen und zahllosen Enttäuschungen erhöht wurde.
Was mit viel Ungeduld, Angst und Ehrgeizstress begonnen hat, mit dem typischen Marathon-Irrsinn, hat sich mit der Zeit in Richtung innerer Ruhe verändert. Mein innerer Achim hat die vielfältigen Erfahrungen eines Bewegungs-Junkies begleitet, all seine Fehler, die Enttäuschungen, und, klar, auch das Glück, das sich interessanterweise genau dann einstellt, wenn man gerade
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