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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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Achilles aus den Tiefen meines Selbst ans Licht gearbeitet hat. Er ist mein innerer Abteilungsleiter, Ressort »Ehrliche Bedürfnisse«.
    Unser Treffen markierte den achimedischen Punkt in meinem Leben. Endlich kamen etwas Ordnung, viel mehr Freude und vor allem Sinn auf, nicht schlagartig, sondern als Prozess, der wohl nie abgeschlossen sein wird. Wichtig war vor allem die Erkenntnis: Bewegen ist für mich nicht Pflichtprogramm wegen Herz-Kreislauf, sondern ein echtes, tiefes Bedürfnis, das ich idealerweise jeden Tag wie auch immer zu stillen habe. Um diesen Punkt herum habe ich in den letzten Jahren mein einst unordentliches Leben neu sortiert.
    Achim ist keine erdachte Figur, sondern ein zweites Ich, vielleicht das einzig wahre, auf jeden Fall das Korrektiv für einen in Lebenslügen verstrickten Vierziger. In Sportklamotten ist der Mensch nun mal offener als im Anzug, denkt ehrlicher über Ängste und Hoffnungen nach, über An- und Widersprüche, hegt viele kleine hässliche Gedanken und wundert sich über seine gelegentlich heldenhaften Motive.
    Achims erste Funktion war die einer Bauchrednerpuppe. Bis heute darf er denken und tun, was dem politischen Journalisten nicht ansteht, der von Berufs wegen meist ernsthaft Staatstragendes zu formulieren hat. Achilles dagegen flucht und schweigt, heult und johlt, stöhnt und albert. Er kommt dem richtigen Leben ganz schön nahe.
    Bernd Stromberg sei seine eigene schwarze Seite, erklärt Ralf Husmann, der die Texte liefert für den schrulligen Star der gern gesehenen TV-Serie. Aber, sagt Husmann, Stromberg sei nicht nur böse, sondern auch brutal offen. Tut es weh, dann schreit er, hat er Zweifel, dann spricht er sie aus. Mir geht es wie Husmann: Der Mensch hat eine offizielle Seite und die andere.
    Was Schumacher sich nicht zu sagen traut, das erledigt Achilles. Er lebt das Leiden eines Mannes in der ewigen Blüte aus, die Angst vor der Vergeblichkeit, aber auch diesen beträchtlichen Ehrgeiz, der Welt eines Tages doch noch zu zeigen, was in ihm steckt. Achim Achilles schwimmt im Wechselbad aus Wünschen und Können, das sich oft als Abwärtsstrudel entpuppt. Aber er lässt sich nicht dauerhaft hinabziehen. Seine Stärke ist Gelassenheit.
    Ich stelle mir Achim als alten Griechen vor, der den Tag im Gymnasion zubringt. Dort trainierten normale Bürger vor fast 3 000 Jahren mit nacktem Körper. Anders als die durchgetakteten Tretmühlen in modernen Fitness-Studios galt das Gymnasion den Griechen als Ort körperlicher, charakterlicher und intellektueller Bildung. Das Üben und Trainieren bildete den Rahmen des Lebens. Kinder lernten hier Lesen, Schreiben, Rechnen und Musik. Junge Männer wurden im Soldatenhandwerk unterwiesen und lauschten den Vorträgen von Wandergelehrten. Die Bürger schließlich trainierten und feierten. Im Gymnasion vergewisserte sich die Gemeinschaft ihrer Herkunft und ihrer Identität. Lernen und Muße bildeten eine Balance, wohl auch, weil es kein angestelltes Lehrpersonal gab, weder Pläne noch Bürokratie. Und vor allem keine Fitness-Zeitschriften.
    Im Grundriss des Gymnasions wird ein attraktiver Tagesablauf sichtbar. Es gibt Laufbahnen und Wandelgänge, Bibliothek und Boxring, Massage- und Besprechungsräume. Hier wurden Geschäfte ebenso abgewickelt wie das tägliche Trainingsprogramm: Laufen und Werfen, Bogenschießen und Ringen, Kämpfen mit Schild und Speer. Konzentration und Kraft wurden gleichermaßen geschult, dazu Disziplin, Einsatzbereitschaft und Selbstkontrolle. Neue Methoden und Erkenntnisse waren willkommen, Kultur war Pflicht. Auch nicht adligen Jungen wurde der Zugang erlaubt, was immerhin eine Art sozialer Durchlässigkeit bedeutete, das wichtigste Merkmal guter Gesellschaften.
    Große Philosophen wie Platon, Sokrates und Aristoteles lebten an Athener Gymnasien, das Gymnasion von Pergamon war eine der größten Sport- und Bildungsstätten der hellenistischen Welt. Gott Hermes überwacht das Erwachsenwerden der Knaben, Herakles ist für den sportlichen Wettbewerb zuständig. Ob Asterix bei den Olympischen Spielen , ob der UFA-Film Wege zu Kraft und Schönheit (1925), der den Nazi-Wahn befeuerte, ob Oliver Stones Alexander – das Gymnasion ist Inbegriff einer idealisierten Kultur aus geistiger und körperlicher Bewegung. Ich stelle mir Achim Achilles vor wie eine Mischung aus einem ertüchtigungsfrohen Philosophen im Gymnasion und Mickey, dem Trainer von Rocky Balboa.
    Achim und ich, das ist eine stabile, erfüllende und manchmal

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