Bewegt Euch
Idiot? Du setzt die Gesundheit deiner Kinder aufs Spiel für einen bescheuerten Haufen Steine? Du hast kein Seil dabei, keine Rettungsdecke, nicht mal ein Pflaster. Der Kleine wird sein Leben lang traumatisiert sein und das Heulen beginnen, wenn er im Fernsehen nur einen Sandhügel sieht. Die Kinder werden den Rest der Ferien mit einer Lungenentzündung im Bett liegen, wenn uns der Rettungshubschrauber überhaupt rechtzeitig findet. Und die Gattin wird schimpfen, Vorwürfe erheben, mich zum Teufel wünschen, ausnahmsweise zu Recht.
Manchmal fehlt das Pech. Und dann kommt auch noch Glück dazu. Die Sonne drängte sich zwischen den Wolken hindurch. Und der wundervolle kleine Mann entdeckte seinen Ehrgeiz. Obgleich sichtlich erledigt, mochte er alleine weitersteigen. Er wollte es schaffen. Er wollte das Foto am Gipfelkreuz.
Oben Tränen. Ich war so stolz auf meine Jungs. Dieser Trip war vollkommener Irrsinn gewesen. Aber wir hatten es geschafft. Diese Momente tragen uns bis heute. »Fertig, aber glücklich« heißt bei uns: »Wie auf’m Furgler.«
Blind Date
Natürlich gibt es viel zu meckern über Facebook. Aber eine Errungenschaft hat das soziale Netzwerk dem Freizeitsportler beschert: die Verabredung mit Unbekannten. Mindestens ein halbes Dutzend Mal habe ich via Facebook Ort und Zeit meines geplanten Frühlaufs bekannt gegeben. Und immer waren Menschen da, die sich darauf verließen, dass ich tatsächlich aufkreuzte.
In Dortmund kämpfte ich mich mit den Recken von Laufsport-Bunert durch den Regen und lernte vieles aus dem harten Leben eines Chemie-Doktoranden. In Fürth bekam ich eine lus tige Stadtführung. In Würzburg jagte mich der Klasse-Triathlet Jan Diekow im Sonnenaufgang durch die Weinberge. In Essen umrundeten wir mit zehn Leuten die Gruga. Immer war es lustig, lehrreich und überwiegend angenehm. Zum Glück reicht oft schon das Gefühl, einfach nicht allein zu sein auf der Welt.
Der fröhliche Familientyrann
Zu den schönsten Schnulzen aller Zeiten gehört »Father and Son« von Cat Stevens, ein Zwiegespräch zwischen dem lebenserfahrenen Alten und dem unternehmungslustigen Jungen. Fazit: Die Generationen verstehen sich nicht. Umso wertvoller sind die raren Momente, wenn der Alte mal das Gefühl hat, ein paar ehrliche Worte mit dem Heranwachsenden wechseln zu können.
In den meisten Familien bilden, neben großen Festen und Feierlichkeiten, die Ferien jene Erinnerungsanker, die die Sippe zusammenhalten. Bei uns war es häufig das gemeinsame Bewegen, das den Kern gemeinsamen Erinnerns schuf. Mein Großer und ich, wir reden immer wieder mal über unseren gemeinsamen Aufstieg mit dem Rennrad über die sechsundzwanzig Haarnadelkurven der Silvretta-Höhenstraße, vor allem aber über die Abfahrt mit 80 km/h. Sobald wir eine Bergetappe der Tour de France im Fernsehen sehen, sagen wir fast zeitgleich: »Weißte noch, Silvretta?«
Der Große zählt gern meine Kinderquälereien von früher auf: wie ich ihn morgens um zwei weckte, damit wir den Sonnenaufgang auf dem Gipfel schafften. Die Nachtwanderung war von gespenstischer Schönheit. Zwei Jahre später immerhin ließ ich ihn bis fast um fünf schlafen. Dann begannen wir eine Frühwanderung, um den Nebel im Tal zu beobachten und die Gemsen.
Einst hatte ich den Bengel ohne sein Wissen beim Triathlon angemeldet, wir waren auf Sportplätzen um die Wette gelaufen, wir warfen bei jeder Gelegenheit mit Bällen, Frisbees, Papierkugeln oder zur Not auch mit Holzkohlesäcken.
Wer sich Dinge zuwirft, muss sich Mühe geben, dem anderen das Fangen zu ermöglichen. Wer sich in aller Herrgottsfrühe in der Dunkelheit wandernd anschweigt, braucht ein ordentliches Grundvertrauen. Und wer durch die Nacht gemeinsam bergsteigt, fühlt sich dem anderen unglaublich nah.
Zugleich fühlte ich mich häufiger mal wie Louis de Funès als Familientyrann.
Unlängst hat mein kluger großer Sohn bestätigt, was ich immer gehofft hatte. Er kam von einem Klassentreffen und sagte: »Du, Papa, ich wollte ja früher in den Ferien immer ins Legoland oder ins Phantasialand oder zu Disneyworld nach Paris, so wie die anderen Kinder aus meiner Klasse. Und was haben wir gemacht? Wir haben gezeltet, sind mit dem Rad durch die Bretagne gestrampelt oder haben Berge bestiegen. Heute weiß ich, dass das die viel cooleren Aktionen waren.«
Die anderen Kinder hatten offenbar keine großen Erinnerungen mehr an Disneyland. Mein Großer konnte jeden einzelnen Urlaub nacherzählen, vom See-Kajak
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