Bewegungswissenschaft
sich bei den männlichen Jugendlichen die Trainierbarkeit der Kraftfähigkeiten nach dem Erreichen der Maturität weiter verbessert, werden die bei den jungen Frauen ab dem 14. Lebensjahr typischerweise stagnierenden oder rückläufigen Entwicklungstendenzen auf den weiblichen Hormonhaushalt (Östrogen), die ungünstigen Last-Kraft-Verhältnisse und die nicht sportbezogene Interessenlage zurückgeführt.
Die für beide Geschlechter zu beobachtende Abnahme der Pulsfrequenz darf nicht als eine Verbesserung der Ausdauerfähigkeiten interpretiert werden, da sich die Pulsfrequenz bei Heranwachsenden auch ohne Training reifungsbedingt reduziert (Ruhepuls, achtes Lebensjahr: ca. 90 Schläge/min; Erwachsene: ca. 60 Schläge/min). Die Schnelligkeitsfähigkeiten (Reaktions-, Aktionsschnelligkeit) zeigen in der Pubeszenz die höchsten Zuwachsraten. Das Maximum der Bewegungsfrequenz erreichen die Jugendlichen zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr. Die Beweglichkeitsfähigkeiten nehmen im Bereich des Rumpfs generell zu (Rumpfbeugen vorwärts, Vorhochspreizen der Beine usw.), bei den übrigen Körpergelenken jedoch grundsätzlich ab (Schultergelenk, Seitspreizen der Beine; vgl. Abb. 61 ).
Für die koordinativen Fähigkeiten und die s porttypischen Bewegungsfertigkeiten muss zu Beginn der Jugendzeit auf Grund möglicherweise ungünstiger konstitutioneller Leistungsvoraussetzungen und hormoneller Umstellungen mit einer zeitweisen Stagnation oder einer vorübergehenden Verlangsamung der Entwicklungsprozesse gerechnet werden. Zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr bestehen für die sportmotorischen Fertigkeiten (Laufen, Werfen, Weitsprung, Hochsprung usw.) große interindividuelle Leistungsdifferenzen. Einfache und geübte Bewegungstechniken erfahren weniger Beeinträchtigungen als sportmotorische Fertigkeiten mit hohen Anforderungen an die Feinkoordination, die Ausführungsgenauigkeit, die Geschicklichkeit, die Differenzierungs-, die Umstellungs- oder die Rhythmisierungsfähigkeit.
Abb. 61: Beweglichkeitsfähigkeit von Schulkindern und Jugendlichen am Beispiel der Rumpfbeuge nach vorn (mod. nach F ETZ , 1982, S. 120)
Geschlechtsspezifische Differenzen treten vor allem bei großmotorischen Bewegungen auf. Diese fallen bei Zeitdruckaufgaben zum Vorteil der männlichen Jugendlichen größer aus als bei Präzisionsaufgaben (R OTH & W INTER , 1994). Die leichtathletischen Leistungen der männlichen Jugendlichen steigen kontinuierlich oder progressiv an, während die Zuwachsraten der weiblichen Jugendlichen stagnieren oder sogar stark abnehmen. Die Hauptursachen betreffen die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der physischen Entwicklung und im Umfang der sportlichen Betätigung. Bei den weiblichen Jugendlichen treten diese Effekte lebenszeitlich früher auf als bei den männlichen Jugendlichen. Die Neuanpassung der Bewegungskoordination wird in der Adoleszenz weit gehend abgeschlossen.
3.3.4 Was ist über die motorische Ontogenese im Erwachsenenalter bekannt?
Das Erwachsenenalter umfasst im statistischen Durchschnitt 50-60 Lebensjahre. Im Jahre 2001 lag in Deutschland die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen nach Angaben des Deutschen Statistischen Bundesamtes bei 81.1 Jahren, die der Männer bei 75.1 Jahren. Jeder fünfte Einwohner war im Jahre 2005 älter als 65 Jahre. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Lebenserwartung für die Frauen im Durchschnitt auf 86.6 Jahre und für die Männer auf 81.1 Jahre erhöhen. Dem Rückgang der Sterblichkeitsteht ein Geburtenmangel gegenüber. Insgesamt führt dies in den kommenden Jahrzehnten zu einer demografischen Verschiebung der Bevölkerungsstruktur von der klassischen Alterspyramide zu einem Alterspilz. Die Hälfte der deutschen Bevölkerung wird im Jahr 2050 älter als 48 Jahre und jeder dritte Einwohner älter als 60 Jahre sein.
Trotz der seit einigen Jahren vermehrten Veröffentlichung lebenslaufbezogener Betrachtungen der motorischen Entwicklung (B AUR ET AL ., 1994; W INTER , 1998) fehlt es für das Erwachsenenalter an differenzierten längsschnittlichen Befunden, die verlässliche Ableitungen für die pädagogische Arbeit im Leistungs-, Breiten-, Gesundheits-, Präventions- und Seniorensport ermöglichen. Während für die Ausdauerfähigkeiten eine Vielzahl praxisrelevanter wissenschaftlicher Kenntnisse vorliegt, besteht für die Kraft-, Schnelligkeits- und Beweglichkeitsfähigkeiten eine eher lückenhafte, wenig fundierte Befundlage. Für die koordinativen Fähigkeiten und die
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