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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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Leichtathletik oder die Stützsprünge im Gerätturnen erlernen Kinder im frühen Schulkindalter. Bekannt sind die hohen jährlichen Zuwachsraten in den leichtathletischen Wurf- und Sprungdisziplinen und die variable Verfügbarkeit einzelner Sporttechniken. Auffällig ist, dass die siebenjährigen Mädchen nur etwa 60 % der Weitwurfleistungen ihrer männlichen Schulkameraden erreichen ( vgl. Abb. 60 ). Im späten Schulkindalter vermindern sich zwar die geschlechtsspezifischen Leistungsunterschiede und die Variationsbreite im Laufen, Weit- und Hochsprung, jedoch nicht im Ballweitwurf (W INTER , 1998).
3.3.3 Wie sieht die motorische Entwicklung in der Jugendphase aus?
    Die Lebensphase zwischen dem Schulkindalter und dem Erwachsenenalter, das Jugendalter (11./12.-18./19. Lebensjahr), umfasst mit erheblichen individuellen und geschlechtsspezifischen Unterschieden die Geschlechtsreifung ( Pubeszenz ), die körperliche Ausreifung ( Maturität ) und den Aufbau einer stabilen Persönlichkeit ( Adoleszenz ). Zu den jugendlichen Lebensaufgaben gehören die Ablösung vom Elternhaus, die schulische und berufliche Ausbildung, das Streben nach Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, die tief greifende Umstrukturierung allgemeiner Interessen, Werte- und Normensysteme, die Identitätsentwicklung, das Austragen von Konflikten mit Erwachsenen und die verstärkte Zuwendung zu Gleichaltrigen (Peergroup).
    Moderne Entwicklungsperspektiven bezeichnen die Pubeszenz (11./12.-14./15. Lebensjahr) im Gegensatz zu klassischen Entwicklungsvorstellungen nicht mehr als eine „Krisenzeit“, eine „Umstrukturierung der Motorik“ oder eine „Lebensphase des motorischen Zerfalls und der Auflösung“ (z. B. M ÖCKELMANN & S CHMIDT , 1952, 1981), sondern als einen natürlichen Lebensabschnitt der Umstrukturierung der motorischen Fähigkeiten und Sporttechniken (W INTER , 1998; vgl. Kap. 2). Unmittelbar mit dem somatischen Gestaltwandel können zeitlich befristete Disproportionen des Körperbaus und Disharmonien der Bewegungsabläufe auftreten. Die Dichte und die Differenziertheit der ontogenetischen Verhaltensveränderungen fällt um ein Vielfaches größer aus als in den anderen Lebensphasen (H URRELMANN , 2002, 2004).
    Die hormonell ausgelösten starken Wachstumsprozesse begünstigen zwar die weitere Ausdifferenzierung der Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten, gleichsam können sie aber die koordinativen Fähigkeiten und die Ausführung der sportmotorischen Fertigkeiten beeinträchtigen. „Diese Entwicklungstendenzen betreffen nicht alle Jugendlichen, sondern sind individuell unterschiedlich ausgeprägt und besonders von der sportlichen Betätigung, dem Trainingszustand abhängig“ (S CHEID & R IEDER , 2001, S. 102). Der „puberale Schub“ erreicht seinen Höhepunkt zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr, bei den weiblichen Jugendlichen lebenszeitlich früher als bei ihren männlichen Counterparts. Insgesamt erschweren die interindividuellen und geschlechtsspezifischen Unterschiede die zeitliche Klassifizierung der motorischen Entwicklung. Schulklassen der Mittelstufe können „akzelerierte Adoleszenten“ bis hin zu „retardierten jungen Kindern“ aufweisen.
    Die Adoleszenz (13./14.-18./19. Lebensjahr) prägt das Ende der Wachstums- und Reifungsprozesse, die geschlechtsspezifische Differenzierung, die Individualisierung und die sportmotorische Spezialisierung. Die fortschreitende Individualisierung manifestiert sich in der großen Variationsbreite der motorischen Entwicklungsmerkmale. Unsystematisches Training führt bei einzelnen motorischen Fähigkeits- und Fertigkeitsbereichen bereits zu Stagnationen oder Rückschritten. Insbesondere die weiblichen Jugendlichen reduzieren ihre täglichen körperlichen Aktivitäten und das Sportengagement in auffälliger Weise. Sie treten häufig und früher aus dem Sportverein aus und nehmen im geringeren Umfang am Leistungssport teil als die männlichen Jugendlichen (B RINKHOFF & B AUR , 1994).
    In der Jugendphase nehmen sowohl die Kraft-, Ausdauer- und Schnelligkeitsfähigkeiten als auch die geschlechtsspezifischen Differenzen zu Gunsten der männlichen Jugendlichen zu („geschlechtsspezifische Schere“, B RINKHOFF & B AUR , 1994, S. 301). Bis zum Erreichen der Maturität steigt die Muskelmasse der jungen Männer durch das verstärktausgeschüttete androgene männliche Sexualhormon Testosteron von ungefähr 27 % auf 40 % der Gesamtkörpermasse an (S CHMIDTBLEICHER , 1994). Während

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