Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
Vom Netzwerk:
Hierfür maßgeblich verantwortlich erscheinen normative, altersbezogene, lebenslaufzyklische Prädiktorvariablen wie das kalendarische Alter, die Genetik, das Wachstum, die Reifung, das Geschlecht, die psychischen und kognitiven Faktoren, das koordinative und informationell determinierte Fähigkeitsniveau ( vgl. Lektion 2 ), die sozialkulturellen und materialen Umweltbedingungen und nicht zuletzt die Bewegungsbiografie des Individuums ( vgl. Abb. 68 ; Wollny, 2007).
    Kalendarisches Alter
    Die Differenzierung der Menschen nach dem kalendarischen Alter dient dazu, im Prozess der Vergesellschaftung bestimmte Zäsuren zu schaffen, altersspezifische Handlungsmuster zur Verfügung zu stellen und Identitätsstabilität zu gewährleisten. Üblicherweise stellt die Verhaltensforschung zur Beantwortung der Frage Was kann von einem Menschen in welchem Alter erwartet werden? , entwicklungsspezifische Normwerte und Entwicklungstabellen der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit bereit. Bekanntermaßen ist in Deutschland der Erwerb des PKW-Führerscheins ab dem 18. Lebensjahr möglich. Der Beginn des Rentenalters ist gesetzlich bislang auf das 65. Lebensjahr datiert. Im Bereich des Sports werden die Leistungserwartungen ebenfalls an das Lebensalter geknüpft.

    Abb. 68: Potenzielle Einflussfaktoren der motorischen Entwicklung
    Nach der seit M EINEL (1960) lange Zeit vertretenen, empirisch nicht weiter hinterfragten Grundposition der eng umrissenen altersbezogenen Entwicklungsphasen gilt das Schulkindalter als die Lebensphase der „goldenen“ motorischen Lernfähigkeit. Hieran schließt sich die Pubeszenz als ein eher ungünstiger Abschnitt der Umstrukturierung und Umstellung an, bevor es in der Adoleszenz zu einem erneuten Höhepunkt der Fertigkeitsentwicklung kommt. Die generelle Verschlechterung der motorischen Leistungsfähigkeit beginnt ab dem mittleren Erwachsenenalter. Neuere entwicklungspsychologische und sportwissenschaftliche Veröffentlichungen widersprechen der klassischen Auffassung der Altersnormierung und den vordergründigen Altersbezügen massiv. Das Lebensalter wird nicht als eine psychologische, Gesetzmäßigkeiten erfassende Variable, sondern als eine physikalische Trägervariable charakterisiert, der lediglich eine Hilfsfunktion bei der Deskription motorischer Veränderungsverläufe zukommt (weitere Ausführungen siehe Lektion 8, Kap. 3 ).
    Individuell- und allgemein-genetische Einflussfaktoren
    Die Wirkung genetischer Einflussfaktoren ist nicht in der starren Fixierung der Ontogenese zu suchen, sondern in der Festlegung der spezifischen Reaktionsnormen des Organismus hinsichtlich der Grenzen der Beeinflussbarkeit der individuellen Entwicklung durch die Umwelt. Interindividuelle Differenzen in der genetischen Ausstattung der Menschen entstehen bei der Zellteilung auf Grund der frei kombinierbaren Chromosomenpaarlinge der Geschlechtszellen (2 23 Möglichkeiten). Gleichzeitig können individuell-genetische Determinanten einen Teil der interindividuellen Merkmalsvarianz zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt erklären.
    Unter individuell-genetische Einflüsse fallen die sich „zwangsläufig“ entwickelnden Körpermerkmale wie die Augenfarbe, der körperliche Konstitutionstyp oder die Körpergröße. Andere individuell-genetische Faktoren liegen als mögliche Dispositionen, Fähigkeiten oder Potenzen vor (Intelligenz, Sprache, spezielle Begabungen usw.). Ihre Realisierung hängt von den Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten des Subjekts und den vorherrschenden Umweltbedingungen ab. Neben der genetischen Verschiedenheit der Menschen bestehen innerhalb derselben Art auch generelle Übereinstimmungen im Erbgut. Aus den so genannten allgemein-genetischen Faktoren resultiert eine gewisse Gleichförmigkeit der menschlichen Entwicklung (morphologische Merkmale, hormonelle Prozesse, Entwicklungsstatus des Hirns usw.).
    Ein zentrales Verfahren der Rückführung interindividueller Merkmalsunterschiede auf exogene oder endogene Faktoren stellt die Zwillings-, Adoptions- und Familienmethode dar. Durch systematische Gegenüberstellung von genetisch gleichenoder ungleichen Individuen, die in gleichen oder unterschiedlichen Umwelten leben, wird versucht, die phänotypische Varianz der Verteilung eines Personenmerkmals in einer Population in ihre erblich und umweltbedingten Anteile zu zerlegen. Je ähnlicher der Genotyp der analysierten Personen ist, desto eher können zuverlässige Rückschlüsse auf den Einfluss von

Weitere Kostenlose Bücher